Staatssekretär Jens Brandenburg hofft „dass wir in den nächsten Jahren durch das Validierungsverfahren vielleicht 100.000en Menschen eine zweite Chance zur beruflichen Qualifizierung bieten können.“ Eine mutmachende Stellungnahme vom Bundesministerium für Bildung und Forschung auf der Abschlusstagung des Projekts Valikom.
Dieses Ziel ist ebenso richtig wie der Weg dahin noch weit. Die Teilnehmer:innen der Veranstaltung waren sich einig: Durch Berufserfahrung erworbene Kompetenzen sichtbar zu machen und anzuerkennen, bietet einen Tripple-Win:
1. Volkswirtschaftlich können wir ungenutzte Fachkräftepotenziale heben
2. Betriebe können Mitarbeiter:innen binden und Fachkräfte sichern
3. Geringqualifizierte erhalten Wertschätzung und können ihre Beschäftigungsfähigkeit steigern
Wie geht es jetzt weiter?
Den Rahmen dafür setzt das kürzliche beschlossene BVaDiG (Berufsbildungsvalidierungs- und Digitalisierungsgesetz), das zum 1.1.2025 in Kraft tritt und über das ich hier schon berichtet habe. Die dafür notwendige Umsetzungsverordnung soll nun bis zum 1.11.2024 vom Bundeskabinett beschlossen werden. Sie soll ausreichende Übergangsregelungen enthalten, damit das Verfahren nicht nur für 47 Berufe sondern Schritt für Schritt für alle nachgefragten Ausbildungsberufe angeboten werden kann. Gleichzeitig soll die neue Servicestelle Validierung, die mit 2,8 Mio. € bis 2026 finanziert ist, ihre Arbeit an der Vermarktung, am weiteren Know-how Aufbau bei umsetzungswilligen und -fähigen Kammern und an der weiteren Vereinheitlichung von Strukturen und Prozessen aufnehmen.
Was fehlt aktuell?
In den 9 Jahren von Valikom und Valikom Transfer wurden laut Evaluationsbericht ca. 3.500 Verfahren durchgeführt. Ab 2025 sollen es laut Gesetz ca. 1.150 jährlich sein. Das ist gleichzeitig ein deutlicher Anstieg und bei weitem nicht genug, angesichts von aktuell 4.4 Mio. Geringqualifizierten über 25 Jahren am deutschen Arbeitsmarkt, laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit.
Als zentrale Gelingensbedingung für eine dringend nötige Skalierung definierte Elke Hannack vom DGB Bundesvorstand neben der Bekanntheit des neuen Rechtsanspruchs eine sichere individuelle Förderung. Für die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse nach BQFG (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz) gibt es einen individuellen Anerkennungszuschuss. Ein entsprechender „Validierungszuschuss“ für im Inland informell erworbene Kompetenzen sei laut Staatssekretär Brandenburg in dieser Legislaturperiode allerdings nicht mehr zu erwarten. Immerhin, so Markus Biercher von der Bundesagentur für Arbeit, gebe es mit dem QCG (Qualifizierungschancengesetz) umfangreiche Förderungen für das Schließen einer an die Kompetenzfeststellung andockenden Weiterbildung bis zum Berufsabschluss: „Valikom ist bisher nur ein Tropfen auf den heißen Stein, das müssen wir jetzt schnell skalieren!“
Was wurde erreicht?
Dass sich Kompetenzanerkennung lohnt, zeigten die anschaulichen Beispiele der Friseurmeisterin Zeliha Selvi, einer erfolgreichen Teilnehmerin am Validierungsverfahren und der Firma Welser Profile, bei der das Verfahren zu einer neuen Lernkultur geführt hat. Und zumindest ein erklärtes Ziel des Gesetzes ist bereits jetzt erreicht: Die Kammervertreter Oliver Heikaus vom DIHK und Dirk Palige vom DHKT hoben hervor, dass durch die auch meines Erachtens richtige Altersgrenze von 25 Jahren, die 1,5fach-Regelung und die Zuständigkeit der Kammern für das Verfahren sichergestellt sei, dass die Kompetenzanerkennung den Königsweg Ausbildung in keiner Weise gefährdet. Das bisherige eher hohe Durchschnittsalter der Validierungsabsolvent:innen von 40 Jahren bei im Mittel ganzen 13 Jahren Berufserfahrung gibt ihnen mehr als Recht.
Wie kann das BVaDiG nachhaltig erfolgreich werden?
Wenn wir bis zur Evaluation des Gesetzes 2028 auch das positive Ziel der besseren Nutzung von Fachkräftepotenzialen erreichen wollen, müssen wir Zugangshürden abbauen und alle Zielgruppen ab 25 Jahren breiter ansprechen. Dazu gehört meines Erachtens:
- eine sehr breite öffentliche Kommunikation durch alle Akteure von den Sozialpartnern über die Kammern, bis zu Bildungsträgern, der Arbeitsverwaltung und dem Ministerium.
- eine verlässliche Kostenfreiheit für Kandidat:innen, sei es durch betriebliche Zuschüsse, Bildungsgutscheine, das QCG oder eben einen Validierungszuschuss und
- die Nutzung von Synergien zwischen Validierung und Teilqualfizierung, die eine verlässliche und massentaugliche Anschlussperspektive bis zum Berufsabschluss ermöglichen.
Im Sinne der über vier Millionen Menschen ohne Berufsabschluss und der zehntausenden Betriebe auf der Suche nach Fachkräften drücke ich allen beteiligten Akteuren die Daumen für das Durchstarten des nächsten Schritts: „Vom Gesetz zur flächendeckenden Umsetzung“.
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