Praxis gestalten – Sprache fördern
Die berufliche Ausbildung ist ein zentraler Bestandteil gelingender Integration in das Einwanderungsland Deutschland. Sie ist für die Integration von Geflüchteten gerade deshalb von herausragender Bedeutung, weil mehr als die Hälfte der registrierten Asylbewerber unter 25 Jahren sind. Mehr als ein Viertel haben nicht einmal ihr 16. Lebensjahr erreicht (BAMF 2016).
Dass die Integration kein leichtes Unterfangen wird, zeigt neben der aktuell hohen Zahl von jungen Geflüchteten auch ein Blick auf deren unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen und kulturellen Hintergründe, die das deutsche Bildungssystem vor große Herausforderungen stellen. Viele Geflüchtete haben häufig weder eine ausreichende Schulbildung noch berufliche Qualifikationen, die für den deutschen Arbeitsmarkt relevant sind. Auf Bundes- und Länderebene wurden bereits einige Maßnahmen und Projekte gestartet und umgesetzt, jedoch reichen diese bisher bei weitem noch nicht aus. Um möglichst vielen jungen Geflüchteten die Chance auf eine Berufsbildung in Deutschland zu ermöglichen, bedarf es weiterer sozial- und bildungspolitischer Interventionen. Vor allem in den Bereichen der Sprachförderung, Ausbildungsvorbereitung und der anerkannten Berufsausbildung gibt es Nachholbedarf.
Wie diese Bereiche derzeit ausgestaltet sind, was bisher erreicht wurde und welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind, dazu hat die Initiative Chance Ausbildung die Broschüre „Berufsausbildung in einer Einwanderungsgesellschaft – Praxis gestalten“ herausgegeben, deren wesentliche Ergebnisse ich in fünf Beiträgen vorstellen möchte.
Was hat es damit auf sich?
Eine unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Integration der Zugewanderten ist die Aneignung der deutschen Sprache. Knapp unter 90 % der befragten Unternehmen sehen in der mangelnden Sprachkompetenz die größte Hürde bei der Unterbringung von Geflüchteten in Unternehmen (IBE 2016). Die Zuwanderer sollten also schnellstmöglich – im Idealfall möglichst unmittelbar nach ihrem Eintreffen – Deutsch lernen und benötigen dazu die Unterstützung von staatlichen und nicht-staatlichen Sprachförderangeboten. Bei der Sprachförderung müssen dabei einige Herausforderungen gemeistert werden. Nicht nur die Alltagssprache, sondern auch die (berufliche) Fachsprache ist von den Zuwanderern zu lernen. Da zudem der überwiegende Teil der Geflüchteten keinerlei Vorkenntnisse in Deutsch mitbringt, ist es für diese Gruppe daher erforderlich, bereits Sprachförderangebote auf dem untersten A1-Kompetenzniveau bereitzustellen. Ein kleinerer Teil der Zugewanderten kommt mit Alphabetisierungsbedarf nach Deutschland und befindet sich noch unterhalb dieses Niveaus. Beachtet werden muss zudem, dass ein Großteil der Geflüchteten aus Staaten kommen, in denen die lateinisch-romanische Sprache unbekannt ist.
Was gibt es bei der Sprachförderung bereits?
Bei der Gestaltung der Sprachförderung muss aber nicht bei Null angefangen werden. Sie kann auf langjährige Erfahrungen, didaktisch-methodische Konzepte sowie bestehende Strukturen zurückgreifen. Zu letzteren zählen eigene Studiengänge an Hochschulen, Fächer in allgemein- und berufsbildenden Schulen sowie entsprechend ausgebildete Lehrkräfte, die in diesem Bereich unterrichten.
Wer sind denn aber die Akteure der Sprachförderung? Auf den ersten Blick lassen sich viele verschiedene Akteure identifizieren, die das Thema Sprachförderung bearbeiten. Zu allererst ist hier das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu nennen, das zuständig für die Integrationskurse und mitverantwortlich für das Programm zur berufsbezogenen Deutschförderung für Menschen mit Migrationshintergrund ist. Das BAMF beauftragt Volkshochschulen, private Bildungseinrichtungen oder kirchliche Träger mit der Durchführung der Kurse. Die Integrationskurse umfassen einen 60-stündigen Orientierungskurs und Sprachkurse mit 600 Unterrichtsstunden Deutsch, die zum B1-Sprachniveau führen sollen. Um der Heterogenität der Teilnehmer besser gerecht werden zu können, werden unterschiedliche Formate angeboten. Neben Intensiv- und Förderkursen gibt es auch Frauen-, Eltern- und Jugendintegrationskurse sowie solche zur Alphabetisierung.
Die Integrationskurse sind aber nicht für jedermann zugänglich. Lediglich Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis, Geduldete und Asylbewerber aus Staaten mit einer Anerkennungswahrscheinlichkeit von über 50% können die Integrationskurse vom BAMF in Anspruch nehmen. Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsländern bleiben hingegen grundsätzlich von den Integrationskursen ausgeschlossen. Die Integrationskurse des BAMF schließen mit einem Deutschtest für die Zuwanderer ab. Die Testergebnisse sorgen jedoch für Beunruhigung: Nur etwa die Hälfte der Teilnehmer nehmen überhaupt am Abschlusstest teil. Und nur knapp 60 % der Testteilnehmer erreicht das geforderte Niveau (Schröder 2016).
Neben dem BAMF engagieren sich auch die Bundesländer mehr oder weniger stark in der Sprachförderung. Mit eigenen Konzepten agieren einige Bundesländer als Antreiber. So bspw. Nordrhein-Westfalen oder Bayern. Für 2016 wurden in NRW zusätzliche Kurse zur Sprachförderung für neu zugewanderte Jugendliche und Erwachsene ab 16 Jahren eingerichtet. Die Kurse umfassen 70-100 Unterrichtseinheiten. Teilnahmeberechtigt sind lediglich Jugendliche und Erwachsene ab 16 Jahren, die nachweisbar von der Teilnahme an den Integrationskursen des BAMF ausgeschlossen sind. In Bayern gibt es schon seit 2013 ein Modellprojekt, welches auch Personen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung den Zugang zu einer Sprachförderung ermöglicht. Maximal 300 Unterrichtseinheiten sind vorgesehen. Ein wesentliches Ziel des Modellprojektes besteht darin, dass sich die Asylbewerber in Alltagssituationen besser zurechtfinden.
Ein wesentlicher Teil der Sprachförderung für Zugewanderte erfolgt aber auch innerhalb der allgemeinen und berufsbildenden Schulen. So stellt die Sprachförderung einen zentralen Baustein in der Ausbildungsvorbereitung von Geflüchteten dar. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist ein weiterer Helfer bei der Sprachförderung. Im Oktober 2015 startete die BA in einem Sonderprogramm Einstiegskurse (Umfang von 360 Stunden) für Geflüchtete, welche noch nicht an Integrationskursen teilgenommen haben.
Was ist noch zu tun?
Obwohl viele Akteure Programme und Konzepte zur Sprachförderung anbieten, darf das bestehende Angebot darüber nicht hinwegtäuschen, dass es noch weiteren Handlungsbedarf gibt. Der Zugang zur Sprachförderung muss erweitert werden. Jeder Asylbewerber sollte unabhängig von seinem Herkunftsland die Chance haben, unvoreingenommen ein Asylverfahren zu durchlaufen und zügig mit der Sprachförderung erste Schritte für eine schelle Integration beginnen zu können.
Außerdem müssen Kapazitätsengpässe überwunden und Sprachförderangebote auch oberhalb vom B1-Niveau gesichert werden. Insbesondere bei der Rekrutierung und dem Einsatz qualifizierter Sprachlehrer besteht Nachholbedarf. Angesichts der niedrigen Quoten in den Abschlusstests der Integrationskurse müssen zudem Wege gefunden werden, solche Ergebnisse deutlich zu steigern. Das kann nur dann erreicht werden, wenn die Problemursachen gefunden werden. Es muss sich damit auseinandergesetzt werden, ob die Teilnehmer möglicherweise individuelle Formen der Unterstützung benötigen oder die angesetzten Kursziele für viele der Teilnehmer unrealistisch sind. Zudem muss in Erfahrung gebracht werden, ob durch die Beschäftigungsbedingungen der Lehrkräfte (zumeist Honorarkräfte mit vergleichsweise geringem Stundenlohn) die Betreuung und somit die Motivation der Teilnehmer leiden.
Die Verfügbarkeit digitaler Medien (insbesondere Smartphones) erlaubt es, den Spracherwerb wirksam zu unterstützen. Hier sollten digitale Medienangebote deutlich stärker als bisher ergänzend eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren sind zwar einige digitale Sprachlernangebote, wie bspw. „WhatsGerman“ oder „Ankommen“, entstanden. Die Verzahnung der digitalen Medienangebote mit den bestehenden Präsenzangeboten ist aber noch nicht weit genug entwickelt. Auch benötigen die bislang schon verfügbaren Medienangebote eine größere Bekanntheit.
Fortsetzung folgt im zweiten Teil der Reihe „Berufsausbildung in einer Einwanderungsgesellschaft – Praxis gestalten“ mit der Thematik der Ausbildungsvorbereitung.
Quellen:
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016): Aktuelle Zahlen zu Asyl. Stand: Dezember 2015.
IBE – Institut für Beschäftigung und Employability (2016): Integration von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt. Ludwigshafen: IBE, Hays AG.
Schroeder, C. (2016): Wunder dauern etwas länger. Bei den Sprachkursen für Flüchtlinge und Migranten sind gründliche Reformen nötig. Süddeutsche Zeitung, Nr. 55, 7.3.2016, 2.
Teil 2: Praxis gestalten – Berufsorientierung und Beratungsangebote
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