Die Finanzierung des Verfahrens der Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen muss so geregelt werden, dass gerade formal Geringqualifizierten der Zugang erleichtert wird

In Deutschland eröffnet insbesondere der formale Bildungsstand Möglichkeiten der Beschäftigung am Arbeitsmarkt. Hier sind Geringqualifizierte deutlich schlechter gestellt als beruflich oder akademisch Qualifizierte. Formal Geringqualifizierte nehmen zusätzlich in Deutschland aber auch deutlich seltener an Weiterbildungsmaßnahmen teil, was die Aufstiegsmöglichkeiten dieser Gruppe weiter verschlechtert. Geringqualifizierte können aus diesem Kreislauf nur durch ein System der Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen ausbrechen. Der Europäische Rat hat seine Mitgliedstaaten daher dazu aufgefordert, bis 2018 ein Anerkennungssystem zu implementieren.

Dieses muss sicherstellen, dass gerade den oftmals finanziell schlechter gestellten Geringqualifizierten der Zugang nicht durch finanzielle Rahmenbedingungen versperrt bleibt. Denn Geringqualifizierte können am meisten von einem Anerkennungssystem profitieren.

Vorhandene Finanzierungsstrukturen und die Frage, wer in welcher Höhe Kosten für das Validierungs- oder das Qualifizierungsverfahren übernimmt, sind wichtig für die Etablierung eines Anerkennungssystems. In Europa gibt es staatliche, betriebliche und private Finanzierungsformen sowie diverse Mischformen. Die Tradition kostenfreier Bildung in anderen europäischen Ländern hat dort auch positiv auf die Anerkennungssysteme informeller Kompetenzen gewirkt.

In Finnland ist das Verfahren für Arbeitslose weitgehend kostenfrei

Finnland ist bekannt für seine Tradition, Bildung weitgehend kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Kosten der Validierung teilen sich in Finnland Bildungs- und Arbeitsministerium, ergänzt um einen geringen Eigenbeitrag der Teilnehmer für die Fixkosten. Arbeitslose zahlen in Finnland genau 58,- Euro als Verfahrenskosten für die Erstellung des Zertifikates. Sämtliche weiteren Verfahrensschritte von der Information über die Beratung bis zur Teilnahme an Vorbereitungskursen werden für Arbeitslose übernommen. Arbeitslose haben in Finnland zudem die Möglichkeit, Arbeitslosengeld zu beziehen und gleichzeitig für eine Qualifizierungsprüfung zu lernen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die finanzielle Situation potenzieller Teilnehmer eine möglichst geringe Hürde für die Teilnahme an dem Anerkennungsverfahren darstellt.

…und wie könnte das Anerkennungssystem in Deutschland finanziert werden?

Aus oben genannten Gründen wäre auch in Deutschland ein System mit weitgehend öffentlicher Finanzierung wünschenswert. Als Alternative zur vollumfänglich öffentlichen Finanzierung können aber auch entsprechende Mischformen über eine einkommensabhängige Unterstützung per BAföG oder Bildungsfonds in Deutschland einen Ansatzpunkt bieten. Auch die bereits bestehenden Bildungsgutscheine könnten auf die Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen ausgeweitet werden. Wie in den Niederlanden und Frankreich ist für Deutschland zudem eine Beteiligung an der Finanzierung sowohl der Unternehmen als auch der Teilnehmer über den Einsatz von Bildungsurlaub vorstellbar.

Broschüre „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden – Wie europäische Nachbarn informelles und non-formales Lernen anerkennen und nutzen“

Beitragsreihe zur Anerkennung von Kompetenzen:

  • Teil 1/5: Gesetzliche Grundlagen – Ohne Recht auf Anerkennung der non-formal und informell erworbenen Kompetenzen werden insbesondere Geringqualifizierten berufliche Weiterentwicklungschancen verbaut
  • Teil 2/5: Finanzierung – Die Finanzierung des Verfahrens der Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen muss so geregelt werden, dass gerade formal Geringqualifizierten der Zugang erleichtert wird
  • Teil 3/5: Verfahren und Instrumente – Ein Anerkennungssystem braucht effiziente Verfahren, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Dies sichert Akzeptanz und erhöht die Nachfrage.
  • Teil 4/5: Supportstrukturen – Die Nutzer komplexer Anerkennungsverfahren brauchen einen niedrigschwelligen Zugang zu Information und Beratung. Ein Anerkennungssystem wird sich daran messen müssen, inwiefern es wirkliche Chancen eröffnet.