Transformation klingt nach Zukunft – bedeutet aber oft Umbruch.
Wenn Unternehmen Personal abbauen und zugleich andere händeringend Fachkräfte suchen, ist das Matching keine Selbstverständlichkeit. Die Antwort darauf? In manchen Regionen heißt sie: Arbeitsmarktdrehscheibe.

Was ist eine Arbeitsmarktdrehscheibe?

Vorweg: Es gibt keine einheitliche Definition für diesen Ansatz.[1] Eine Arbeitsmarkt-drehscheibe ist zu verstehen als ein regionales Kooperationsformat, das Arbeitgeber mit absehbarem Personalüberhang mit solchen zusammenbringt, die Personal suchen. Ziel ist es, einen direkten Übergang von Beschäftigung zu Beschäftigung („Job-to-Job“) zu organisieren – ohne Zwischenstation in der Arbeitslosigkeit. Sie unterscheiden sich damit von klassischen Transfergesellschaften: Der Fokus liegt auf direktem Übergang in neue Beschäftigung und nicht auf Zwischenstufen. Idealerweise kombinieren Arbeitsmarktdrehscheiben Matching, Beratung, Qualifizierung und Netzwerkbildung zu einem flexiblen Unterstützungsangebot.

Einzelne Erfolge in der Praxis

Ein beispielhaftes Vorgehen beschreibt die BA [2]anhand der Jobdrehscheibe NRW. Dies ist eine branchenübergreifende Initiative von Unternehmen aus der sogenannten Initiative Allianz der Chancen – beteiligt haben sich u. a. Bayer, Evonik und RWE. Über einen Austausch von anonymisierten Bewerberprofilen, Kennzeichnung von Arbeitsstellen in der Jobsuche der Bundesagentur für Arbeit und Karrieremessen sollen Übergänge ermöglicht werden.

In der Arbeitsmarktdrehscheibe Ost-Württemberg [3]haben sich Firmen, Verbände und Weiterbildungsinstitutionen über das Projekt Qualifizierungsverbünde vernetzt. Es wurden virtuelle Treffen einer Arbeitsmarktdrehscheibe organisiert, bei der Unternehmen mit offenen Stellen und solche mit Personalüberhang zusammenkommen. Auf der Agenda: ein kurzer Einblick in die regionale Lage, Präsentation offener Stellen, ein thematischer Impuls und gemeinsame Diskussion. Die Ergebnisse: neue Personalzugänge, neue Qualifizierungskooperationen – und vor allem ein besseres gegenseitiges Verständnis.

Wovon hängt es ab, dass Arbeitsmarktdrehscheiben funktionieren?

Der Ansatz, direkte Job-zu-Job-Übergänge zu organisieren, klingt gut. Doch der Erfolg hängt maßgeblich von einigen Faktoren ab. Aus zahlreichen Praxisgesprächen lassen sich zentrale Gelingensbedingungen ableiten:

  • Regionale Nähe und Arbeitsmarktdynamik

Damit Übergänge gelingen, braucht es räumliche Anschlussfähigkeit: Der Erfolg ist wahrscheinlicher, wenn aufnehmende und abgebende Unternehmen in derselben Region liegen – idealerweise innerhalb eines Pendelradius. Bestehende Arbeitsmarktdrehscheiben zeigen, dass lokale Verwurzelung der Schlüssel zur Beteiligung ist.

  • Qualifikatorische Passung und flexible Qualifizierungsmöglichkeiten

Wirkungsvoll können Drehscheiben nur dann sein, wenn die Profile der betroffenen Beschäftigten grundsätzlich zu den Anforderungen der aufnehmenden Betriebe passen. Wenn diese Passung gegeben ist, dann ist ein direktes Matching erforderlich. Doch oft ist ein Wechsel nicht ohne Weiterqualifizierung möglich. Daher muss die Drehscheibe Zugang zu maßgeschneiderten, flexiblen und niedrigschwelligen Weiterbildungs-angeboten sicherstellen.

  • Personalabbau und -aufbau liegen zeitlich beieinander

Arbeitsmarktdrehscheiben funktionieren dann, wenn Personalabbau und -aufbau zeitlich weitgehend zusammenfallen. Im Idealfall werden geplante Personalmaßnahmen größeren Umfangs von der Bundesagentur frühzeitig und systematisch erfasst und es können gleichzeitig passende offene Stellen identifiziert werden – doch das ist aufwendig und in der Praxis nur selten so zu leisten.

  • Vertrauensvolle Kommunikation und sozialpartnerschaftliche Beteiligung

Als hilfreich erweist sich die Einbindung von Betriebsräten und Gewerkschaften: Sie sichern Akzeptanz und tragen dazu bei, dass Beschäftigte Vertrauen in den Prozess entwickeln. Der Erfolg steht und fällt mit der Offenheit der abgebenden Unternehmen, Veränderungen transparent zu benennen und Lösungen aktiv mitzugestalten. Doch längst nicht jeder Arbeitgeber ist mit Blick auf sein Umfeld gewillt, möglichst frühzeitig über geplante Personalanpassungen zu informieren.

  • Professionelle Koordination und Ressourcen

Eine Arbeitsmarktdrehscheibe läuft nicht von allein. Sie braucht klare Rollen, Koordination und ausreichend personelle Ressourcen. Eine professionelle Moderation – sei es durch die Bundesagentur für Arbeit, ein Transformationsnetzwerk oder eine regionale Servicestelle – ist notwendig, um die vielfältigen Interessen auszubalancieren und den Prozess zielgerichtet zu steuern.

Fazit

Trotz einzelner Erfolgsgeschichten ist der Ansatz der Arbeitsmarktdrehscheiben mit Grenzen konfrontiert. Allein schon deshalb, weil die oben genannten Gelingensbedingungen in der Praxis nicht immer gegeben sind. In jedem Fall kommt es auf engagierte Personen vor Ort an, die mit guten Netzwerkkontakten interessierte Unternehmen mit passenden Bewerbern zusammenbringen und erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen für den beruflichen Übergang organisieren können.

[1] BMAS, Bundesagentur für Arbeit, Job-to-Job-Prozess, Link

[2] Vergleiche hierzu die Stellungnahme der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit (RD NRW) zum Antrag der SPD/Fraktion / Drucksache 18/9162 vom 07.05.2024 / Anhörung Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 30. Oktober 2024 Link

[3] Möglichkeiten zur Anmeldung für die Arbeitsmarktdrehscheibe Ost-Württemberg auf der Website der Bundesagentur für Arbeit Link