(Ausbildung ökonomisch betrachtet Teil 4/7)

Duale Ausbildungsmodelle sind international gefragt. Insbesondere Länder mit hoher Jugendarbeitslosigkeit streben danach, ihre beruflichen Ausbildungssysteme praxisnäher zu gestalten, um die Übergänge junger Menschen in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Als große Hürde bei der Einführung von dualen Ausbildungsmodellen in Ländern ohne diese Tradition erweist sich dabei die Beteiligung von Unternehmen. Denn ein Staat kann zwar Gesetze erlassen und Rahmenbedingungen schaffen, aber ohne die – freiwillige! – Beteiligung von Betrieben gibt es keine duale Ausbildung. Diese sehen jedoch oftmals nur den Kostenfaktor.

Die Bildungsökonomen Prof. Dr. Stefan C. Wolter und Prof. Dr. Samuel Mühlemann haben deshalb in den vergangenen Jahren in verschiedenen Ländern empirische Daten rund um das Kosten-Nutzen-Verhältnis erhoben und zudem Kosten-Nutzen-Simulationen durchgeführt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen duale Ausbildung eine Win-Win-Situation für Auszubildende und Betriebe darstellt. Dies ist der vierte Teil einer Reihe von sieben Blogbeiträgen, in denen zentrale Erkenntnisse aus diesen Studien vorgestellt werden.

Lektion 4: Flexible, aber kohärente Ausbildungsparameter sind der Schlüssel zu einem funktionierenden Ausbildungssystem

Für Betriebe lohnt sich Ausbildung aus ökonomischer Perspektive, wenn bestimmte Kombinationen von Rahmenbedingungen gegeben sind – wie die Höhe der Ausbildungsvergütung, die Ausbildungsdauer und die Rekrutierungskosten für Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt etc. Das bedeutet aber nicht, dass beliebige Kombinationen möglich sind.

Ein Beispiel zur Dauer der Ausbildung. In den meisten Bildungssystemen wird die Dauer der Ausbildung durch den Staat geregelt. Je nach Berufsbild sind jedoch unterschiedliche Zeiträume erforderlich, bis ein Auszubildender das Kompetenzniveau erreicht, um im Anschluss an die Ausbildung als Fachkraft arbeiten zu können. Einziger Maßstab aus ökonomischer Perspektive für die Bestimmung der Dauer einer Ausbildung müsste deshalb die relative Produktivität sein, die ein Auszubildender am Ende der Ausbildung im Vergleich zu einem Facharbeiter im jeweiligen Beruf erreicht haben muss. Diese sollte über alle Berufe hinweg gleich hoch sein, damit ein erfolgreicher Übergang in den jeweiligen Beruf gewährleistet ist. Damit ein Auszubildender am Ende der Ausbildung ein vergleichbares Kompetenz- und Produktivitätsniveau erreicht, müssen die Betriebe für unterschiedliche Berufe also unterschiedlich viel Zeit und Geld in die Hand nehmen.

Wenn der Staat nun einheitliche Längen für alle Ausbildungsberufe festlegt, können diese in einzelnen Berufen zu lang und in anderen Fällen zu kurz sein, d. h. die Auszubildenden sind entweder unterfordert oder haben Schwierigkeiten, die erforderlichen Fähigkeiten überhaupt in der zur Verfügung stehenden Zeit zu erlernen. Wenn die Ausbildungsdauer zu lang ist, können ausbildende Betriebe einen hohen Nettogewinn erzielen, weil sie die Auszubildenden sehr lange zu einer im Vergleich zur Entlohnung eines Facharbeiters niedrigen Ausbildungsvergütung beschäftigen können, obwohl diese bereits die Produktivität eines Facharbeiters erreicht haben. Ist die Ausbildungsdauer zu kurz, so muss der Betrieb nach Beendigung der eigentlichen Ausbildungsdauer viel Zeit und Geld zusätzlich investieren, um den Ausbildungsabsolventen auf das für einen Facharbeiter nötige Kompetenzniveau zu bringen. Die Folge wäre, dass die Ausbildung nur mit sehr hohen Nettokosten abgeschlossen werden könnte.

Was bedeutet das nun für die Praxis? Aus ökonomischer Perspektive ist es ratsam, bei der Gestaltung der Ausbildungsparameter eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen. Die Parameter müssen sowohl in ihrer Gesamtheit als auch im Zusammenspiel kohärent sein, um eine effiziente Ausbildung zu gewährleisten. Eine one-fits-all-Lösung gibt es nicht.

Neugierig geworden? Die ausführliche Fassung dieser und der anderen sechs Lektionen findet sich hier.

Lektion 1
Lektion 2
Lektion 3
Lektion 4
Lektion 5
Lektion 6
Lektion 7