Welchen Beitrag kann Teilqualifizierung (TQ) in der Transformation leisten? Und was braucht es hierfür? – Das waren die zentralen Fragen der Veranstaltung „Teilqualifizierung im Strukturwandel – wie Beschäftigte und Unternehmen profitieren“ am 25. September, zu der die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten TQ-Projekten des DIHK, der Bildungswerke der Wirtschaft und des Bundesinstituts für Berufsbildung sowie der BBB-Initiative MY·TQ eingeladen hat. Mehr als 180 Interessierte nahmen online und vor Ort im Berliner Gebäude der Bertelsmann Stiftung an der Veranstaltung teil.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Moderator Michael Schmidt eröffnete Roman Wink, Projektleiter bei der Bertelsmann Stiftung, die Veranstaltung. Noch nie war Teilqualifizierung so relevant und gleichzeitig so präsent in der öffentlichen Wahrnehmung, erklärte Wink. Mit Blick auf den Fachkräftemangel müsse die „rosarote Brille“ nun aber abgesetzt und sich den Herausforderungen des Weiterbildungsinstruments gewidmet werden. Umso wichtiger, dass alle eingeladenen Stakeholder, die „Freunde der TQ“, so Roman Wink, zur Weiterbildungspraxis ins Gespräch kommen.
Dr. Regine Schmalhorst, Geschäftsführerin für Förder- und Geldleistungen bei der Bundesagentur für Arbeit, beleuchtete in ihrem Vortrag diese praktische Seite. Lebenslanges Lernen ist unverzichtbar, eine reguläre Umschulung für viele jedoch nicht geeignet, so Dr. Schmalhorst. Die Teilqualifizierung erreicht als richtiges Instrument die richtigen Personen und ergänzt so das System der dualen Ausbildung. Hier braucht es jedoch Beratung, damit nicht nur – wie bereits an der Förderstatistik zu sehen ist – Beschäftigte zunehmend an Teilqualifizierungen teilnehmen, sondern ebenso die benachteiligte Gruppe der Arbeitslosen. Hier setzte der Vortrag von Dr. Martin Noack, Senior Expert bei der Bertelsmann Stiftung, an. Im Rahmen von 13 Expert:inneninterviews konnten acht Forderungen für die Weiterbildung von morgen identifiziert werden. Dabei kommt der flexiblen Teilqualifizierungen eine besondere Bedeutung zu. Allerdings müssen neben trägerübergreifenden Standards auch die Arbeitsmarktverwertbarkeit jeder einzelnen Teilqualifizierung und die Einbindung von Kammern in die Zertifizierung sichergestellt werden, so die Expert:innen.
Im darauffolgenden ersten Panel wurde das Instrument der Teilqualifizierung aus Unternehmensperspektive diskutiert. Heike Streubel, Integrationsbeauftragte der Unternehmensgruppe Gegenbauer, betonte die Bedeutung von Ansprechpersonen zur Begleitung bei Teilqualifizierungen, um auf die individuelle Situation der Beschäftigten eingehen zu können. Nur so ist es möglich, Maßnahmen erfolgreich abzuschließen. Und der Bedarf ist groß, wie Kim Schucker, Head of Talent Acquisition bei Eigensonne, deutlich machte. Denn eine dreieinhalbjährige Elektroniker:innenausbildung kann die Nachfrage zum Beispiel in der Photovoltaikbranche rein zeitlich nicht decken, stattdessen braucht es kurzfristige Lösungen auch für Quereinstiege. Gerade deshalb teilqualifiziert Vaillant für den Einbau von Wärmepumpen mittlerweile selbst, wie Alexander Schuh, Leiter Verbandsmanagement, schilderte. Und dass dies am besten unter vollen Bezügen geschieht, erklärte Sven Reinholz, Vorstand bei Zapf Umzüge. Nur so kann ausreichend Motivation bei den Beschäftigten erzeugt und aufrechterhalten werden.
Prof. Dr. Jutta Rump, Managing Director am Institut für Beschäftigung und Employability, betonte im Gespräch mit Moderator Michael Schmidt, wie wichtig die Orientierung an individuellen Lebensphasen ist. Berufliche Weiterbildung ist ein Lernpfad mit vielen Meilenstein, für die sich die Teilqualifizierung mit ihren Modulen bestens eignet – sowohl für An- und Ungelernte als auch qualifizierte Beschäftigte. Bereits vorhandene inländische Arbeitskräftepotenziale können so schnellst- und bestmöglich genutzt werden, erklärte Prof. Rump.
Im zweiten Panel wurde die Teilqualifizierung aus Sicht der Weiterbildungsbranche diskutiert. Antje Baier, Projektleiterin beim DIHK, erklärte, dass die Teilqualifizierung mit Blick auf das vergleichsweise hohe Teilnehmer:innenalter – entgegen anfänglicher Sorgen – praktisch keine Konkurrenz zur dualen Ausbildung ist. Hinsichtlich dieser Zielgruppe ist sozialpädagogische Begleitung zentral, wie Vera Aiello, Geschäftsführerin der ZORA gGmbH, erklärte. Nur so können Teilqualifizierungen erfolgreich durchgeführt werden. Hierfür braucht es aber einheitliche Standards: Es muss klar sein, in welcher Teilqualifizierung welcher Inhalt steckt, und das deutschlandweit einheitlich, wie Uwe Bies-Herkommer vom Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft forderte. Die Initiative MY·TQ zeigt bereits, wie identische TQ-Module trägerübergreifend angeboten werden können. Denn die Zeit drängt, wie Reiner Engel, Geschäftsführer der TERTIA-Gruppe, betonte.
Zuletzt machte Susanne Sander-Thumann, Vorständin des Deutschen Weiterbildungstages, nach einer kurzen Zusammenfassung mit Roman Wink auf die weiteren Aktivitäten im Rahmen des 9. Deutschen Weiterbildungstages aufmerksam. Und so gibt es noch viel zu tun für die selbsternannten „Freunden der TQ“, den Stakeholdern der Teilqualifizierung im Strukturwandel.
Kommentar schreiben