Als die Bundesregierung Ende 2023 Pläne verlauten ließ, Etatmittel in Höhe von über 25% des Budgets bei den Freiwilligendiensten einsparen zu wollen, war der Aufschrei bei den Anbietern dieser Dienste groß – die Kürzungen hätten eine massive Einsatzstellenstreichung zur Folge gehabt. Auch wenn diese Pläne weitgehend vom Tisch zu sein scheinen, lohnt sich ein Blick auf diese besondere Form des Engagements.
Die Jugendfreiwilligendienste feiern in diesem Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum. Seit 1964 können Menschen im Alter von 16 bis 27 innerhalb eines meist einjährigen Engagements in gemeinwohlorientierten Einrichtungen mitarbeiten. Sie bekommen dafür eine besondere, 25-tägige pädagogische Begleitung und eine Aufwandsentschädigung – „Taschengeld“ genannt.
Die Nachfrage nach diesen Angeboten ist groß, in rund 100.000 Einsatzstellen arbeiten junge Erwachsene im Freiwilligen sozialen, ökologischen oder kulturellen Jahr, im Bundesfreiwilligendienst oder in diversen Auslandsdiensten. Allein diese Zahlen zeigen, wie hoch das freiwillige Engagement der oft als bequem gescholtenen heutigen Jugend ist.
Aus Freiwilligen werden oft Auszubildende
Jugendfreiwilligendienste sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft – viele Krankenhäuser, Altenheime oder sonstige soziale oder gemeinwohlorientierte Einrichtung kommen ohne die Unterstützung der Freiwilligen kaum aus. Mehr noch: Für Sozialunternehmen sind die Freiwilligendienste eine enorme Ressource zur Akquise von Nachwuchskräften, da sich nach dieser Erfahrung viele für eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich entscheiden. Der Freiwilligendienst übernimmt damit auch eine wichtige berufsorientierende Funktion, die nicht unterschätzt werden sollte. Viele soziale bzw. pflegerische Berufe jenseits von Alten- und Krankenpflege kommen so erst ins Blickfeld von jungen Menschen.
Für die jungen Erwachsenen sind die positiven Effekte dieses Jugendfreiwilligenjahres auch aus anderer Perspektive handfest: Die Arbeit im gemeinwohlorientierten Sektor bietet erste Orientierung hinsichtlich des Erwerbes beruflich relevanter, fachlicher und sozialer Kompetenzen. Das hilft beim Übergang von Schule in den Beruf aber auch in der persönlichen Entwicklung beim Übergang von der Jugend zum Erwachsenwerden durch Übernahme sozialer Verantwortung.
Rahmenbedingungen sind verbesserungswürdig
Das diesjährige Jubiläum der Freiwilligendienste bietet dennoch nur bedingt Anlass zu feiern, denn es bräuchte Reformen, um die Freiwilligendienste mehr Menschen zugänglich zu machen.
So wäre es wünschenswert gewesen, das Jubiläum beispielsweise dazu zu nutzen, die Rahmenbedingungen zu verändern, denn die Angebote haben auch Mängel, die ihre Attraktivität in Frage stellen. So bedarf es dringend einer Verbesserung der Entlohnung. Die jungen Erwachsenen bekommen ein Taschengeld, das sich zwischen 250 bis 400 Euro bewegt. Für Menschen aus einkommensschwachen Familien kommt ein solches Angebot vielfach nicht in Frage, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können.
Dabei wäre es erstrebenswert, Freiwilligendienste jungen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Bildungsabschluss zugänglich zu machen. Aktuell sind es vor allem eher junge Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss, die einen Freiwilligendienst absolvieren und somit von den Vorteilen profitieren. Junge Menschen mit einem formal niedrigen Schulabschluss dagegen sind in den Freiwilligendiensten unterrepräsentiert. Gerade diese Zielgruppe könnte enorm von den Vorteilen eines freiwilligen Engagements profitieren.
Mehr zu den Freiwilligendiensten können Sie hier nachlesen.
Autoren:
Gerd Placke Claudia Burkard
Senior Project Manager Project Manager
Bertelsmann Stiftung Bertelsmann Stiftung
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