Noch nie waren in Deutschland so viele Frauen erwerbstätig wie heute. Trotzdem bleibt die Kluft zwischen den Geschlechtern deutlich spürbar: Während Männer mehrheitlich in Vollzeit arbeiten, ist fast jede zweite Frau in Teilzeit tätig. Ein zentraler Grund dafür ist die ungleiche Verteilung von Haus- und Sorgearbeit, die weiterhin vor allem Frauen übernehmen. Dafür reduzieren sie oft ihre Erwerbsarbeitszeit. Besonders gravierend ist der sogenannte Klebeeffekt der Kinderzeit: Wer einmal aufgrund von Kinderbetreuung den Erwerbsumfang verringert, findet nur selten den Weg zurück in eine Vollzeitstelle. Die Folgen? Weniger Karrierechancen, geringeres Einkommen – und finanzielle Nachteile, besonders im Alter.
In unserer Veröffentlichungsreihe „Spannungsfeld Vereinbarkeit: Onlinebefragung zur Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit im Paarkontext“ widmen wir uns der Frage, welche betrieblichen, familienpolitischen und paarinternen Bedingungen dazu beitragen können, Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gleichmäßiger zu verteilen. In der zweiten Studie dieser Reihe „Spannungsfeld Vereinbarkeit: Arbeitsaufteilung, Geschlechterrollen und Aushandlungen im Paarkontext“ analysieren wir die Aushandlung, Wahrnehmung und Zufriedenheit der Verteilung von Haus- und Sorgearbeit in Paarbeziehungen. Basis der Untersuchung ist eine Onlinebefragung von 1.620 heterosexuellen Paaren im Alter von 18 bis 65 Jahren.
Unterschiedliche Wahrnehmung der Aufgabenteilung in Partnerschaften
Ein Hauptergebnis dieser Studie ist, dass Männer und Frauen in Paarbeziehungen die Zuständigkeiten für Haus- und Sorgearbeit sehr unterschiedlich wahrnehmen. Männer empfinden die Aufgabenteilung häufiger als gleichverteilt, während Frauen die Hauptverantwortung deutlich öfter bei sich selbst sehen – sogar dann, wenn beide Partner Vollzeit arbeiten. Das Ungleichgewicht wird besonders deutlich, wenn man die Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen Beteiligung und dem zeitlichen Aufwand betrachtet. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Selbst bei Befragten, die angeben, die Aufgaben gleichmäßig zu verteilen, übernehmen Frauen im Schnitt 10,6 Stunden pro Woche Haushaltsarbeit, während Männer lediglich 6,7 Stunden beitragen.
Auch bei der Kinderbetreuung zeigt sich ein ähnliches Bild. Befragte Eltern, die behaupten, die Verantwortung gemeinsam wahrzunehmen, weisen einen deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschied auf. Während Väter angeben, durchschnittlich 17,5 Stunden pro Woche für die Kinderbetreuung aufzuwenden, geben Mütter mit 27,5 Stunden einen deutlich höheren Zeitaufwand an.
Frauen sind nicht zufrieden mit Aufgabenteilung – Potenzial für Verbesserung
In der Untersuchung wurde außerdem gefragt, wie zufrieden Frauen und Männer mit der Aufgabenteilung sind. Frauen sind im Durchschnitt deutlich unzufriedener mit der Aufteilung innerhalb von Partnerschaften als Männer. Der Zufriedenheitswert ist besonders gering, wenn Frauen die Verantwortung nur bei sich sehen.
Traditionelle Rollenbilder als Hindernis für eine gleichmäßigere Arbeitsteilung
Wie die Befragung zu den Gründen der paarinternen Arbeitsaufteilung zeigt, prägen traditionelle Rollenbilder und stereotype Kompetenzwahrnehmungen nach wie vor stark die Verteilung von Haus-, Sorge- und Erwerbsarbeit. Sachliche Faktoren wie Infrastruktur und berufliche Möglichkeiten treten dabei oft hinter die geschlechtsspezifischen Vorstellungen der Partner:innen zurück.
Erwerbsbeteiligung von Frauen durch gleichmäßigere Verteilung der Haushalts- und Sorgearbeit stärken
Um die Arbeit anders aufzuteilen und die Erwerbstätigkeit von Frauen zu stärken, muss auch die Verantwortung der Männer stärker in den Blick genommen werden. Paare sollten ein Bewusstsein dafür entwickeln, welche Bedeutung und langfristigen Auswirkungen die Aufgabenteilung mit sich bringt.
Für eine andere Aufteilung der Arbeit braucht es aber auch passende strukturelle Rahmenbedingungen: Unternehmen können hier einen wichtigen Beitrag leisten und Männer durch gezielte Vereinbarkeitsangebote dabei unterstützen, die Verantwortung auch wahrnehmen zu können. Maßnahmen, wie Brückenteilzeit oder Elternzeit sollten verstärkt auch an Männer adressiert werden. Gleichzeitig sollten flexible Arbeitszeitmodelle und familienfreundliche Angebote für beide Elternteile ausgebaut werden, um eine Grundlage zu schaffen, auf der Frauen ihre Erwerbsbeteiligung ausweiten können.
Zudem braucht es einen gesellschaftlichen Wandel: Traditionelle Rollenbilder müssen frühzeitig hinterfragt werden. Es sollte zur Normalität werden, dass beide Eltern Elternzeit nehmen und Väter öfter zu Hause bleiben, zum Beispiel wenn das Kind krank ist oder die Kita geschlossen ist. Um diesen Wandel zu erreichen, müssen Sorgearbeit und Sorgekompetenzen geschlechtsunabhängig übernommen und erlernt werden. Insgesamt muss das Bewusstsein in Partnerschaften, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft dafür geschärft werden, wie viel Zeit unsichtbare Arbeit zu Hause in Anspruch nimmt – nur so können wir diese wichtige Arbeit langfristig sichtbar machen und wertschätzen.
Den Link zur aktuellen Studie finden Sie hier.
Die erste Studie der Veröffentlichungsreihe „Spannungsfeld Vereinbarkeit“ zu Arbeitszeit- und Jobpräferenzen finden sie hier.
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