Informelle und non-formale Kompetenzen sind keine Kompetenzarten, sie unterscheiden sich von formalen Kompetenzen lediglich durch den Weg, auf dem sie erworben wurden.

Wenn informelle und non-formale Kompetenzen thematisiert werden, so besteht oftmals die Gefahr, dass diese mit überfachlichen Kompetenzen verwechselt werden. Hierbei handelt es sich um ein Missverständnis. Alle Arten von Kompetenzen also fachliche und auch überfachliche Kompetenzen können informell und non-formal erworben werden. Informell, non-formal und formale Kompetenzen unterscheiden sich also nicht in ihrer Art sondern lediglich in dem Weg, wie diese erworben wurden: im formalen Bildungssystem, im Rahmen von non-formaler Weiterbildung oder informell am Arbeitsplatz oder im Alltag.

Warum gerade Deutschland Nachholbedarf hat?

In Deutschland leben rund sieben Millionen formal geringqualifizierte Menschen. Bei dieser Gruppe liegt nicht nur die Arbeitslosenquote ca. 3,5 Mal höher als bei Personen mit formalem Abschluss, sie nehmen auch 3 Mal weniger an Weiterbildung teil. Innerhalb der Gruppe der Geringqualifizierten finden sich teils Menschen, die hochkompetent sind: so zeigten Heisig und Solga (2014), dass sich die Nichtbeschäftigtenquote von geringqualifizierten Männern mit unterschiedlichen alltagsmathematischen Kompetenzstufen kaum unterscheidet. (Blogbeitrag Heisig/Solga). In anderen Ländern hingegen haben informelle Kompetenzen Arbeitsmarktrelevanz. Um den Geringqualifizierten bessere Chancen im Beschäftigungsmarkt zu gewähren brauchen wir ein System der Anerkennung non-formal und informeller Kompetenzen. Nur so können wir Erlerntes gebührend würdigen, ein chancengerechteres Beschäftigungs- und Bildungssystem herstellen und zugleich dafür sorgen, dass dem Fachkräftemangel entgegengewirkt wird.

 

Was sollten wir bei der Gestaltung des Anerkennungssystems unbedingt beachten?

In der Studie „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden“ wurden die Anerkennungssysteme verschiedener europäischer Länder anhand von fünf Kernelementen analysiert. Bei der Ausgestaltung der fünf Kernelemente sind vier Prinzipien besonders wichtig:

  1. Der Zugang zum Anerkennungssystem muss einfach und unbürokratisch sein, damit gerade diejenigen, die am meisten von dem System profitieren können – die Geringqualifizierten – dies auch können.
  2. Das System braucht einen Bezug zum formalen Bildungssystem und darf keine Abschlüsse zweiter Klasse „produzieren“. Ziel müssen gleichartige oder zumindest gleichwertige Abschlüsse sein.
  3. Das System braucht die Akzeptanz der Arbeitgeber in Deutschland, da nur auf diese Weise die Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt sichergestellt werden kann.
  4. Das Anerkennungssystem muss bei den Zielgruppen und bei den Unternehmen bekannt sein, damit es eine breite Nutzung erfährt.

Broschüre „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden – Wie europäische Nachbarn informelles und non-formales Lernen anerkennen und nutzen“

Beitragsreihe zur Anerkennung von Kompetenzen:

  • Teil 1/5: Gesetzliche Grundlagen – Ohne Recht auf Anerkennung der non-formal und informell erworbenen Kompetenzen werden insbesondere Geringqualifizierten berufliche Weiterentwicklungschancen verbaut
  • Teil 2/5: Finanzierung – Die Finanzierung des Verfahrens der Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen muss so geregelt werden, dass gerade formal Geringqualifizierten der Zugang erleichtert wird
  • Teil 3/5: Verfahren und Instrumente – Ein Anerkennungssystem braucht effiziente Verfahren, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Dies sichert Akzeptanz und erhöht die Nachfrage.
  • Teil 4/5: Supportstrukturen – Die Nutzer komplexer Anerkennungsverfahren brauchen einen niedrigschwelligen Zugang zu Information und Beratung. Ein Anerkennungssystem wird sich daran messen müssen, inwiefern es wirkliche Chancen eröffnet.