„Ein Studium oder doch lieber eine Ausbildung?” fragt sich nicht nur unsere Auszubildende, sondern vermutlich viele Abiturientinnen und Abiturien am Ende ihrer Schullaufbahn. Und bereits davor standen viele junge Menschen vor der Wahl: Weiterhin die Schulbank drücken und in die Sekundarstufe II übergehen oder doch nach der 10. Klasse direkt in die Ausbildung wechseln? Auf eigene Erfahrungen in dem einen oder anderen nachschulischen Bildungsbereich kann sich bei dieser Entscheidung jedoch keiner stützen.
Im Ergebnis lässt sich beobachten, dass unter denen, die sich zunächst für ein Studium entschieden haben, der eine oder andere nach einigen Semestern als „Studienabbrecher“ doch den Weg in die Ausbildung findet. Andere wiederum absolvieren zunächst eine Ausbildung und nehmen im Anschluss ein Studium auf – im Jahr 2014 hatten immerhin 22% der deutschen Studienanfängerinnen und -anfänger vor Studienaufnahme eine Berufsausbildung abgeschlossen (AGBB 2014).
Tatsächlich zeigt sich, dass viele junge Menschen sich erst gar nicht zwischen beruflicher Praxis und akademischem Abschluss entscheiden, sondern beides miteinander verbinden wollen. Ein Indiz dafür ist zum Beispiel der Wachstumstrend der Fachhochschulen, die meist stärker praxis- und anwendungsorientiertere Studiengänge anbieten als Universitäten: 1995 nahmen noch 26 Prozent der Studienanfängerinnen und -anfänger ihr Studium an einer Fachhochschule auf. 2013 waren es bereits 39 Prozent (Statistisches Bundesamt 2014). Ein weiterer Hinweis für den Wunsch nach einer Verbindung von akademischer und beruflicher Bildung ist der Zuwachs im Bereich des dualen Studiums: 2013 waren 15.216 Anfängerinnen und Anfänger im ersten Hochschulsemester für ein duales Studium in Deutschland eingeschrieben – damit hat sich die Zahl gegenüber 2006 fast versechsfacht. (BSt 2015)
Akademisch vs. beruflich – und was ist mit dem Bereich dazwischen?
Traditionell stehen Hochschulen für die Vermittlung abstrakt-theoretischen Wissens, die berufliche Bildung hingegen für die Lehre berufspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten. In der Praxis stehen sich akademische und berufliche Bildung heute jedoch nicht mehr ganz so diametral gegenüber, hat sich doch in den letzten Jahren ein wachsender Überschneidungsbereich entwickelt: Einerseits bieten Hochschulen zunehmend beruflich orientierte Studiengänge an, andererseits kann in einigen Ausbildungsberufen eine Verschiebung zu theoretisch-wissenschaftlichen Inhalten beobachtet werden. Eine Entwicklung, die auch den veränderten Anforderungen in den Betrieben entspricht. Statt also die Berufs- und die Hochschulbildung gegeneinander auszuspielen, sind Modelle gefragt, die berufliche Ausbildungspraxis im Betrieb mit der akademischen Ausbildung an der Hochschule sinnvoll verbinden.
Das Modell der studienintegrierenden Ausbildung
Wie ein solches Modell aussehen könnte, hat die Initiative „Chance Ausbildung“ in ihrem im Sommer 2015 veröffentlichten Positionspapier zum Thema „Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung“ aufgezeigt. Das darin vorgestellte Modell der studienintegrierenden Ausbildung ermöglicht es, vom „Entweder-oder“ zum „Sowohl-als-auch“ zu kommen, indem es berufliche Ausbildung mit akademischen Inhalten verzahnt. Wie das Modell in seinen Grundzügen aussieht, habe ich bereits in einem Blogbeitrag vorgestellt. Jedoch wurde das Modell bislang nur grob umrissen. Im dritten Teil der Publikationsreihe zur „Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung“ werden nun Voraussetzungen, Funktionsweise und Rahmenbedingungen des Modells in detaillierterer Form vorgestellt. Wer wissen möchte, wie das Modell jungen Menschen eine Entscheidung zwischen Ausbildung und Studium auf Grundlage eigener Erfahrung ermöglicht, wie Jugendlichen ohne Abitur mit Studienwunsch der Weg in die Hochschule dadurch erleichtert werden soll und warum das Modell der studienintegrierenden Ausbildung sowohl für Betriebe als auch Hochschulen interessant ist, der findet die Antworten in der soeben veröffentlichten Broschüre „Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung – Praxis gestalten“.
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