Die duale Ausbildung steht zahlenmäßig in Deutschland aufgrund von mehreren Entwicklungen unter Druck. Zum einen sorgt der demografische Wandel dafür, dass insgesamt weniger Schüler die allgemeinbildenden Schulen verlassen und somit schrumpft die Anzahl derer die überhaupt eine Ausbildung aufnehmen könnten. Zum anderen erwerben immer mehr junge Menschen eine Studienberechtigung und gehen danach lieber an die Uni oder FH als eine Ausbildung zu machen. Schließlich bieten Betriebe immer weniger Ausbildungsplätze an. Diese Entwicklungen führen dazu, dass die Anzahl der dualen Ausbildungen bundesweit zurückgeht – besonders stark in den östlichen Bundesländern.

Dass es auch anders geht, zeigt der Länderbericht zu Hamburg im Ländermonitor berufliche Bildung 2015. Die Hansestadt hat mit 62,4 % im Vergleich aller Bundesländer den höchsten Anteil der Neuzugänge in der beruflichen Bildung, die eine duale Ausbildung beginnen. Die restlichen Neuzugänge nehmen eine Ausbildung im Schulberufssystem auf (20,9 %) oder beginnen eine Maßnahme des Übergangssystems (16,7 %). Hamburg verzeichnete außerdem zwischen 2005 und 2013 mit 24,5 % den größten Zuwachs von Neuzugängen in die duale Ausbildung von allen Bundesländern. Das Angebot der Betriebe und die Nachfrage der jungen Menschen sind dabei in Hamburg bemerkenswert stabil.

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Ausbildung attraktiv machen

Ausgehend von den Rahmenbedingungen für die berufliche Bildung in Hamburg ist die Stärke des dualen Systems eher überraschend. Zum einen weist Hamburg für 2013 den höchsten Anteil der Studienberechtigten unter den Schulentlassenen aller Bundesländer auf – Tendenz steigend. Dieser Umstand ließe eher auf eine sinkende Nachfrage nach Ausbildungsplätzen schließen. Zum anderen hat Hamburg im Ländervergleich nur einen geringen Anteil an Beschäftigten in Produktionsberufen, in denen die duale Ausbildung traditionell ein starkes Gewicht hat. Der Anteil der Beschäftigten in kaufmännischen und unternehmensbezogenen Dienstleistungen liegt dagegen deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Offenbar wird auch in diesem Bereich in Hamburg stark ausgebildet und entsprechende Ausbildungsplätze sind auch für Abiturienten attraktiv.

Übergangssystem reformieren

Warum kann sich gerade in Hamburg die duale Ausbildung dem allgemeinen Trend entgegenstellen? Ein wesentlicher Faktor dafür ist die starke Wirtschaftskraft der Hansestadt, die über den eigenen Bedarf hinaus auch noch beträchtliche Ausbildungskapazitäten für das Umland bereitstellt. Etwa ein Drittel der Auszubildenden in Hamburg pendelt aus dem Umland ein. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der politische Wille ehrgeizige Reformen im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf durchzuführen. Ein Beispiel ist die Einführung der Jugendberufsagentur, die Hilfe und Berufsinformation für Jugendliche unter einem Dach vereint, mit dem Ziel sie besser in Ausbildung zu integrieren. Die Anzahl junger Menschen, die jedes Jahr eine Maßnahme des Übergangssystems aufnehmen, konnten so zwischen 2005 und 2013 mehr als halbiert werden. Nur in den östlichen Bundesländern sind die Anfängerzahlen im Übergangssystem noch stärker zurückgegangen – dort allerdings vor allem aufgrund des demografischen Wandels.

Von der Hansestadt lernen

Zurzeit werden häufig ein vermeintlicher Akademisierungswahn und ein zukünftiger Mangel an beruflich qualifizierten Fachkräften beschworen. Das Beispiel Hamburg zeigt, dass die duale Ausbildung trotz Studierneigung und demografischem Wandel stabil bleiben kann. Ein Schlüssel dazu ist, bislang benachteiligte junge Menschen besser in Ausbildung zu integrieren. Dazu gehören etwa junge Menschen mit Migrationshintergrund sowie diejenigen, die die Schulen mit einem Hauptschulabschluss oder auch ohne Abschluss verlassen.