Über 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind bereit, bei Bedarf auch Menschen ohne Berufsabschluss einzustellen – dies geht aus unserer repräsentativen Unternehmensbefragung hervor, die Ende Juli veröffentlicht wurde. Das Ergebnis der Studie macht deutlich: Deutsche Unternehmen suchen nicht nur vollqualifizierte Arbeitskräfte. Aufgrund von Arbeitsteilung und Spezialisierung ist ihr Bedarf an Teilqualifizierten genauso hoch.
Modulare Nachqualifizierung als Chance
Diese eindeutigen Ergebnisse sind eine große Chance für Menschen ohne Berufsabschluss: 82 Prozent der befragten Unternehmen sind dafür, dass Menschen ohne Berufsabschluss eine schrittweise Nachqualifizierung durchlaufen sollten. Solche modularen, abschlussorientierten Nachqualifizierungen über Teilqualifikationen haben einen großen Vorteil gegenüber einer klassischen Umschulung: den schnellen Jobeinstieg. Denn Erwachsene über 25 Jahre haben eine andere Lebensrealität. Für sie ist eine mehrjährige Ausbildung an einem Stück nicht immer der richtige Weg. Einzelne Teilbereiche einer Lehre zu durchlaufen bietet deutlich mehr Flexibilität und wahrt die Chance auf einen Berufsabschluss.
Der Berufsabschluss bleibt wichtig
Denn – auch das gehört zur Wahrheit – Menschen ohne Berufsabschluss arbeiten meist im Niedriglohnsegment und sind gerade jetzt von der Krise auf dem Arbeitsmarkt betroffen. Sie werden schneller arbeitslos und haben es nach der Krise schwerer wieder einen Job zu bekommen – weil sie keinen Abschluss haben. Berufsabschlüsse sind krisenfest, schützen vor Arbeitslosigkeit und bringen gesellschaftliche Anerkennung. Umso wichtiger ist es, dass die modulare Nachqualifizierung auf den Erwerb eines Berufsabschlusses zielt.
Vom Stückwerk zum System
Was jedoch bisher in der Nachqualifizierung fehlt, ist ein strukturiertes System – eine Art modulares Ausbildungssystem für Erwachsene, die älter als 25 sind. Dies gilt es zu entwickeln, auszugestalten und arbeitspolitisch zu rahmen.
Quote der Geringqualifizierten in allen Altersstufen konstant
Viele Gründe sprechen für die Notwendigkeit eines solchen Systems und werden im Laufe der Blogreihe aufgezeigt. Der entscheidendste: Die Quote der Menschen, die keinen Berufsabschluss haben, ist über alle Alterskohorten erstaunlich konstant und liegt im Mittel bei 16,8 Prozent bei den 25- bis 65-jährigen. Das berufliche Weiterbildungssystem in Deutschland hat es in den letzte 50 Jahren also nicht geschafft, die Quote der Ausbildungslosen zu reduzieren und mehr Menschen bis zum Berufsabschluss zu führen. Bei allen Erfolgen ist dies sicherlich eine der traurigsten Befunde für das deutsche (Berufs-)Bildungssystem. Die Folgen sind bekannt: prekäre Arbeitsverhältnisse, häufige Phasen der Arbeitslosigkeit, Leben am Existenzminimum und Altersarmut.
Und die Arbeitsmarktrisiken für Geringqualifizierte werden in Zukunft durch den Strukturwandel und die Digitalisierung weiter zunehmen und die Arbeitswelt grundlegend verändern. Im Kontext des Strukturwandels wird deshalb häufig eine erhöhte Weiterbildungsteilhabe als Lösung genannt. Doch das Weiterbildungssystem in Deutschland ist nicht ausreichend auf das lebenslange Lernen ausgerichtet, der Weiterbildungsmarkt ist insgesamt unübersichtlich und die Angebote nur schwer zu vergleichen. Es fehlt eine grundlegende Ordnung, ein System in der Nachqualifizierung, wie es auch im dualen Ausbildungssystem zu finden ist.
Neue Blogreihe zeichnet ein neues System der Nachqualifizierung
Auf Basis der Ergebnisse unserer Studie beschäftigt sich diese Blogreihe damit, wie ein solches System in der Nachqualifizierung mit Teilqualifikationen aussehen kann. Dabei werden unterschiedliche Aspekte beleuchtet: Das Angebot an Qualifizierungen, die Standardisierung von Teilqualifikationen, die Kopplung mit anderen vorhandenen Systemen, der Prozess der Zertifizierung oder die Nutzung in der Arbeitsvermittlung.
Gestartet wird mit dem nächsten Blogbeitrag, der sich mit der Frage beschäftigt, welche Chancen eine Nachqualifizierung in modularer Form bietet.
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