Heute ist der 1. September 2021 – ein aufregender Tag für Miguel Sanchez[1]. Er startet heute bei seinem neuen Arbeitgeber in Deutschland. Nicht einmal 8 Wochen ist es her, dass er in Madrid einen für ihn neuartigen Test namens MYSKILLS im Beruf „Ausbaufacharbeiter:in – Schwerpunkt Fliesen-, Platten- und Mosaikarbeiten“ absolviert hat. Mit Erfolg! Seine Ergebnisse waren sehr gut. Mit diesem Nachweis konnte die Vermittlerin aus dem Team der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit schnell einen Arbeitgeber für ihn finden.
Wenn alle an einem Strang ziehen …
In Deutschland hatte sich im Februar ein Pilotprojektteam aus folgenden Organisationen zusammen gefunden:
- Bauverbände.NRW e.V. – Vertreter von 4.100 Bau- und Ausbaubetrieben in Nordrhein-Westfalen
- ZAV – zuständig für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland und für die Vermittlung besonderer Berufsgruppen
- European Employment Services (EURES) Spanien und Deutschland- EURES ist ein Kooperationsnetzwerk, das die Freizügigkeit der Arbeitnehmer:innen in den 27 Ländern der EU fördert
- Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen
- Bertelsmann Stiftung – Programm „Lernen fürs Lebens“
Bauverbände.NRW war dem Arbeitgeberservice dabei behilflich, Unternehmen zu finden. Sicherlich sind viele Stellen im Bau- und Ausbaugewerbe unbesetzt. Es stellt allerdings für einen Betrieb auch einen höheren Aufwand da, fremdsprachliche Menschen ins Team zu integrieren. Insgesamt konnte der Arbeitgeberservice für das Pilotprojekt 41 Unternehmen mit insgesamt knapp 70 zu besetzenden Stellen finden. Sie haben Vermittlungsaufträge erteilt in den folgenden vier Berufen:
- Ausbaufacharbeiter:in – Schwerpunkt Fliesen-, Platten- und Mosaikarbeiten
- Bauten- und Objektbeschichter:in (Maler:in)
- Hochbaufacharbeiter:in – Schwerpunkt Maurerarbeiten
- Tiefbaufacharbeiter:in – Schwerpunkt Straßenbauarbeiten
… finden sich die richtigen Kanditaten
EURES Spanien startete eine zielgerichtete Medienkampagne. Sie rekrutierten 30 Bewerber (alle männlich), die am Piloten teilnehmen wollten. Sie sollten Erfahrungen in einem der vier Berufen haben und sich vorstellen können, zukünftig im Ausland zu arbeiten. Folgende Prozessschritte waren bedingend für die Teilnahme:
- Selbsteinschätzung in einem oder allen vier Berufen mit meine-berufserfahrung.de
- Ergebnisse von 1) und Lebenslauf (Arbeitszeugnisse oder formale fachliche Qualifikationsnachweise wie in Deutschland sind in Spanien selten) den EURES-Mitarbeitenden zur Verfügung stellen
- MYSKILLS-Test absolvieren
- einen von EURES finanzierten Deutschkurs besuchen; Ziel: vor Einreise nach Deutschland das Niveau A2 erreichen; in Deutschland in Richtung B1 weiter lernen
- Offenheit für weitere Qualifizierung in Deutschland
Die Selbsteinschätzung mit www.meine-berufserfahrung.de half, den richtigen Berufetest zuzuweisen. Die deutschen Berufsbilder sind sehr spezifisch und waren den 30 Menschen im Piloten nicht bekannt. Bei der Selbsteinschätzung konnten sie anhand von 25 – 30 typischen Handlungssituationen und unterstützendem Bildmaterial einschätzen, wie oft sie die jeweils abgebildete Tätigkeit schon gemacht haben. Mittlerweile gibt es übrigens das Tool und auch die MYSKILLS-Tests in 12 Sprachen. Ende 2020 wurden die Sprachen Bulgarisch, Französisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch und Spanisch ergänzt.
Alle Teilnehmenden hatten jeweils ein Beratungsgespräch mit den EURES-Vermittlern an einem der 19 verschiedenen spanischen Standorte. Dabei präsentierten sie die Ergebnisse ihrer Einschätzungen und wurden für die Teilnahme am Piloten registriert. Im Beruf mit ihrem besten Selbsteinschätzungsergebnis konnten sie nun den MYSKILLS-Test machen. Sollten Reisekosten entstehen, wurden diese im Sinne einer Förderung übernommen – die längste Distanz legte ein Teilnehmer von Teneriffa nach Madrid zurück.
Anfang Juli wurde an zwei Tagen in der Hauptstadt getestet. Nach langen Corona-Beschränkungen hatte sich ein Zeitfenster geöffnet, in dem Reisen möglich war. Das Arbeitsministerium hatte einen Computerraum zur Verfügung gestellt und alle Eingeladenen erschienen auch. Wir vom MYSKILLS-Team der Stiftung sorgten dafür, dass die Technik funktionierte und der Prozess vor Ort reibungslos verlief.
Für jeden Tag waren 15 Teilnehmer eingeplant, von denen insgesamt 11 noch spontan einen zweiten Test absolvierten. Nachdem vormittags der erste Test gut gemeistert wurde, wollten sie ihre Handlungskompetenz auch noch in einem weiteren Beruf beweisen. Der Vorbehalt „Ich habe noch nie mit Computern gearbeitet.“ wurde bei allen zerstreut. Das dem Test vorgeschaltete Tutorial vermittelte effektiv, was zu tun war. Und auch vergleichsweise PC-Ungeübte kamen gut zurecht.
Die Teilnehmer bekamen noch vor Ort ihre Testergebnisse. In einem persönlichen Gespräch stellte die ZAV-Mitarbeiterin die Ergebnisse vor und berichtete sehr lebendig über den deutschen Arbeitsmarkt und das Leben hier. Alle Teilnehmer haben inzwischen einen Deutschkurs begonnen oder wie in Miguels Fall schon abgeschlossen.
Wie passt Miguel zum neuen Arbeitgeber?
Miguel ist 54. Nach dem technischen Abitur in Bolivien hat er es schon mal gewagt, in einem fremden Land neu zu starten – in Spanien. Damit ist er kompetent darin, sich in unbekanntem Terrain zurecht zu finden. Der MYSKILLS-Test hat bestätigt, dass er über sehr viel Kompetenz als Ausbaufacharbeiter verfügt. Im Deutschkurs hat er die sprachliche Grundlage gelegt. Vielleicht hat dann auch noch das Angebot des Arbeitgebers geholfen, das im Stelleninserat formuliert war: „Für weit entfernt wohnende Interessenten, auch aus dem Ausland, kann vorübergehend eine Unterkunft gestellt werden, bis ein Umzug und / oder Nachzug der Familie organisiert ist.“ Und heute geht es los!
Er wurde an den Arbeitgeber vermittelt, der genau seine Kompetenzen braucht. Jeder Test ist in 5-6 betriebliche Einsatzfelder unterteilt. Entsprechend dieser Gliederung hatte das Unternehmen im Vermittlungsauftrag angegeben, was ein Mensch können muss, um auf die offene Stelle zu passen.
Miguel passte mit seinem Ergebnis am besten. Wir wünschen viel Erfolg und gute Zusammenarbeit!
Weitere Informationen rund um den spanisch-deutschen Piloten
Warum haben 30 Menschen am Piloten in Madrid teilgenommen? Wie ist die Situation im Land? Unsere Kollegin Clara Bassols, die in der Fundacíon Bertelsmann in Barcelona Arbeitsmarktprojekte verantwortet, wird diese kleine Blog-Serie im nächsten Beitrag mit Details zum spanischen Arbeitsmarkt und der dortigen Berufsausbildung bereichern. Außerdem folgt ein Interview mit Teammitgliedern von ZAV und Arbeitsagentur. Sie können berichten, an welchen Stellen MYSKILLS die Arbeit für sie einfacher und effizienter gemacht hat – und warum es bald vielleicht einen zweiten Testdurchlauf gibt …
[1] Aus Datenschutzgründen ist der Name des vermittelten Arbeitnehmers nur den Mitarbeitenden der ZAV, EURES und der Agentur für Arbeit NRW bekannt. Der genannte Name ist fiktiv. Der Kandidat, der in Deutschland seinen Job antritt, ist real.
Weitere Veröffentlichungen aus der Reihe:
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