Die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ausbildungsgarantie hat die Chance, die drei wohl größten Herausforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes wirksam anzupacken: Mehr Jugendlichen einen Zugang zu Ausbildung zu ermöglichen, Passungsprobleme zu reduzieren und mehr Fachkräfte zu entwickeln.
Das häufig gegen eine Ausbildungsgarantie vorgebrachte Argument, es gebe doch eine ausreichende Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen hilft dabei all den Jugendlichen nicht, die trotz zahlreicher Bewerbungsbemühungen ohne Ausbildung bleiben oder die einen der begrenzten Ausbildungsplätze im Schulberufssystem anstreben. Sie in der Mehrzahl als nicht ausbildungsreif oder zu wenig flexibel zu kennzeichnen und auf ein Übergangssystem zu verweisen, schiebt die Verantwortung einseitig und oft zu Unrecht den Jugendlichen zu.
Eine Ausbildungsgarantie löst sich von dieser „Schuldfrage“. Sie gibt Jugendlichen Chancen und bindet im Rahmen der dualen Ausbildung Betriebe in die Ausbildung ein, indem sie Jugendliche und Unternehmen zusammenbringt, die auf dem Ausbildungsmarkt nicht zusammengefunden haben. Denn das betriebliche Ausbildungsverhältnis ist und bleibt vorrangiges Ziel. Im Rahmen der schulischen Ausbildung könnte die Ausbildungsgarantie zudem die Möglichkeit geben dort anzusetzen, wo händeringend Fachkräfte gesucht werden, wie in Erziehungs- oder Pflegeberufen.
Damit das gelingt, ist es allerdings entscheidend, wie eine Ausbildungsgarantie umgesetzt wird. Die Pläne der Regierungskoalition sehen hier ein dreistufiges Vorgehen vor. Die erste und zweite Stufe des Gesetzentwurfs zur Ausbildungsgarantie beziehen sich auf die Phasen vor und während einer Ausbildung, die dritte bildet die als „ultima ratio“ angesehene Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze
In drei Stufen zum Erfolg?
In der ersten Stufe sollen Jugendliche die Möglichkeit zu Orientierungspraktika erhalten, die durch Arbeitsagentur oder Jobcenter begleitet werden. Dazu werden die Fahrt- und ggfs. Übernachtungskosten übernommen. Hiervon erhofft man sich, dass praktisches Erproben und Begleitung durch die Berufsberatung idealiter „zu einer Auseinandersetzung mit den gemachten Erfahrungen und unter Umständen einer Korrektur des ursprünglichen Berufswunsches[führen]. Sie wirkt damit Passungsproblemen entgegen, hat positive Effekte für die Vermittlung in eine Ausbildungsstelle und trägt darüber hinaus präventiv dazu bei, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.“
Die als Erfolgsmaßnahme angesehene Einstiegsqualifizierung – ein gering vergütetes Langzeitpraktikum mit der Aussicht (nicht Garantie) auf Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis – soll zudem flexibilisiert werden, um mehr Jugendliche zu erreichen: Dazu gehören die Verkürzung der Mindestdauer von bislang sechs auf vier Monate, Erleichterungen bei der Durchführung in Teilzeit und Öffnung für Jugendliche mit Behinderungen, die eine Ausbildung nach §66 BBiG/§42r HwO anstreben.
Die zweite Stufe sieht staatlicherseits eine Förderung der Mobilität von Jugendlichen für eine Ausbildung vor. Konkret beinhaltet der Entwurf, im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Heimfahrt zu finanzieren. Betriebe sollen zudem „attraktive Ausbildungsbedingungen und Mobilitätsanreize“ schaffen.
Die dritte Stufe schließlich ist der eigentliche Kern einer Ausbildungsgarantie: die Bereitstellung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen für erfolglose Marktteilnehmer:innen.
Bereits heute gibt es in begrenzter Zahl außerbetriebliche Ausbildungsplätze (Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen / BaE), die Jugendlichen von der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt werden können, wenn diese am Ausbildungsmarkt erfolglos waren. Der bislang stark begrenzte Kreis von förderberechtigten Jugendlichen (z. B. Lernbeeinträchtigte, sozial Benachteiligte oder Ausbildungsabbrecher) soll nun erweitert werden um jene Jugendlichen, „bei denen trotz nachweislicher Bewerbungs- und Vermittlungsbemühungen auch in der Nachvermittlung nicht zu erwarten ist, dass eine betriebliche Berufsausbildung aufgenommen wird.“
Für einen besseren Übergang in betriebliche Ausbildung soll zudem die Vermittlungsprämie für die ausbildenden Träger von 2.000 auf 3.000 € erhöht werden und Jugendliche auch nach dem Wechsel in eine betriebliche Ausbildung bei Bedarf vom selben Träger weiter betreut werden können.
Was ist von den Plänen zu halten?
Schon bei der ersten Betrachtung der geplanten Maßnahmen wird klar, dass mit diesem Entwurf der Versuch unternommen wird, es sich nicht mit der Wirtschaft und deren Vertreter:innen – die sich vehement gegen eine Ausbildungsgarantie aussprechen – zu verscherzen. So stehen Flexibilisierung und Erweiterung bestehender Maßnahmen ebenso im Vordergrund wie der Fokus auf Orientierungs- und Vermittlungspraktika.
Dabei sind einige Ansätze zu begrüßen: Die Erhöhung der Vermittlungspauschale etwa oder die Verkürzung der Mindestdauer einer Einstiegsqualifizierung (EQ) sowie die Möglichkeit, diese in Teilzeit zu absolvieren sind gute Ansätze, Unterstützungen bedarfsgerechter anbieten zu können.
Auch die Einführung von Orientierungspraktika trägt der Tatsache Rechnung, dass berufliche Orientierung bei vielen Jugendlichen mit dem Verlassen der Schule nicht abschließend erfolgt ist. Allerdings ist ein wesentliches Erfolgskriterium bei Praktika die Vor- und Nachbereitung. Für die reine Beratungsleistung sind im Entwurf pro Praktikum 21,70 € als Personalaufwand veranschlagt. Da kann das Engagement der Berufsberatungen noch so hoch sein, viel Zeit für Beratung ist damit nicht vorgesehen.
Auch ein Mobilitätszuschuss ist prinzipiell erst einmal zu begrüßen. Mobilitätshemmend dürfte aber für Jugendliche weniger eine nicht bezahlte Heimfahrt sein, sondern die Verfügbarkeit von preiswertem Wohnraum. Hier wäre eine Unterstützung z. B. durch Förderung von Azubiwohnheimen etc. vermutlich erfolgversprechender.
Vom eigentlichen Kern einer Ausbildungsgarantie, der Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze, wird allerdings nur als „ultima ratio“ mit nur regionaler Verfügbarkeit gesprochen. Gleichzeitig wird die Verantwortung der Betriebe für Ausbildung betont. Hinweise auf Chancengerechtigkeit oder das Recht auf Bildung junger Menschen sucht man dagegen vergeblich.
Inwiefern das erklärte Ziel, diese Ausbildungsgarantie solle „ein Signal an junge Menschen sein, eine Ausbildung als Karriereoption wahrzunehmen“ damit erreicht werden kann, ist zumindest fraglich. Es wird nicht zuletzt davon abhängen, wie die Garantie von den Agenturen vor Ort umgesetzt wird.
Ein Blick in „das Kleingedruckte“
Betrachtet man zudem die im Entwurf hinterlegten Planzahlen für die unterschiedlichen Angebote der Ausbildungsgarantie, dann bekommt man vor allem den Eindruck, dass die Regierung ihr eigenes Vorhaben nur halbherzig betreibt: Nur 1.100 EQ-Plätze werden zusätzlich angesetzt und 5.000 Interessent:innen für ein Orientierungspraktikum (mit durchschnittlich je zwei Praktika) erwartet. Vor allem aber muss die Zahl von lediglich 7.000 zusätzlich veranschlagten außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen (BaE) verwundern.
Angesichts von rund 100.000 Jugendlichen, die jährlich ohne Perspektive das allgemeinbildende Schulsystem verlassen und 2,3 Millionen Ungelernten unter 35 Jahren wirkt dieser Ansatz wie der berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein.
Eine bloße Ausweitung von außerbetrieblicher Berufsausbildung reicht nicht
Doch auch eine zahlenmäßig deutliche Steigerung der BaE würde insgesamt nicht ausreichen. Denn sie beschränkt sich bislang nur auf duale Ausbildungsberufe und schließt beispielsweise Pflege- und Erziehungsberufe aus – Berufe, in denen akuter Fachkräftemangel herrscht und die in der Mehrzahl von Frauen gewählt werden. Sie nicht in die Garantie einzubeziehen, kommt faktisch einer Diskriminierung gleich.
Fazit
Ein bisschen Neues und mehr vom schon – bislang begrenzt erfolgreichen – Vorhandenen, so könnte man den Entwurf für eine Ausbildungsgarantie umschreiben. Eine Kehrtwende auf dem Ausbildungsmarkt wird eine so umgesetzte Ausbildungsgarantie nicht bringen. Zu viel wird in Klein-Klein gedacht: hier ein bisschen mehr Orientierung, dort etwas Unterstützung der Mobilität und wenn dann noch Bedarf ist, ein paar zusätzliche Ausbildungsplätze. Was fehlt ist das klare Bekenntnis zum Bildungsrecht von Jugendlichen und der Anspruch, eine echte Garantie aussprechen zu wollen.
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