Hallo, mein Name ist Niklas. Seit August 2019 mache ich die duale Ausbildung zum Industriekaufmann bei Bertelsmann und befinde mich im ersten Lehrjahr. Das Sekretariat im Programm Lernen fürs Leben in der Bertelsmann Stiftung ist meine zweite von bis zu neun Stationen während der Ausbildung. Gestartet bin ich in der Abteilung am 1. Februar 2020. Seitdem hat sich mein Arbeits- und Schulalltag durch die Corona-Pandemie gänzlich verändert. Wie genau, dazu möchte ich euch einen Einblick geben.
Mein Berufsschulalltag vor der Corona-Pandemie
Bevor das Virus auch in Deutschland so richtig ausgebrochen ist, hatten meine 19 Mitschüler und ich zweimal in der Woche, jeweils dienstags und donnerstags, Berufsschulunterricht. Immer in der Zeit zwischen 8:00 und 13:00 Uhr. Das entspricht sechs Stunden à 45 Minuten, mit einer 15-minütigen Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden.
Am Dienstag hatten wir nach der Berufsschule frei. Donnerstags ging es im Anschluss an den Unterricht in die jeweilige Abteilung im Betrieb, in der wir für jeweils drei Monate eingesetzt sind. In dieser arbeiten wir an den Tagen ohne Berufsschulunterricht ganztägig. In der Berufsschule haben wir insgesamt sieben Unterrichtsfächer: Deutsch, Englisch, Politik, Konzernlehre, Datenverarbeitung (alles rund um Word, Outlook, Excel und PowerPoint), Geschäftsprozesse und zuletzt Steuerung und Kontrolle (Rechnungswesen).
Mein Berufsschulalltag während des „Lockdowns“
Mit der Ausbreitung von Corona änderte sich dieser Wochenablauf von dem einen auf den anderen Tag: Am 13. März bin ich wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen ins Homeoffice umgezogen. Bereits am Dienstag, den 17. März hatten wir unsere erste Online Unterrichtsstunde. Die Berufsschule wurde seitdem auf den Dienstag begrenzt und findet nun ausschließlich online statt. Durch die schnelle Umstellung von der einen auf die andere Woche, fiel der Unterricht so keine Woche aus. Jedoch wurde der Unterreicht auf die drei Prüfungsfächer der IHK-Abschlussprüfung begrenzt. Diese werden nun in jeweils einer Doppelstunde unterrichtet. Dies geschieht über eine Onlineplattform, in der wir per Telefonkonferenz zusammengeschaltet sind. Diese funktioniert, entgegen meiner anfänglichen Bedenken, sehr gut. Unsere Lehrerinnen und Lehrer stellen uns die Unterrichtstermine direkt per Mail in den Kalender ein, so können wir mit nur einem Klick der Unterrichtsstunde beitreten. Wie auch zuvor in der Berufsschule beginnt der Online-Unterricht um 8:00 Uhr und endet um 13:00 Uhr. Die Pause zwischen den Doppelstunden und der freie Nachmittag ab 13:00 Uhr bleiben dabei bestehen. Weil donnerstags nun die Berufsschule ausfällt, wird nun zusätzlich an diesem Tag ganz „normal“ aus dem Homeoffice gearbeitet.
Haben sich dann Dienstagsmorgens alle in der Videokonferenz zusammengefunden, startet der Unterricht meistens mit allgemeinen Infos der Klassenlehrerin und der Möglichkeit, allgemeine Fragen zu stellen. Zum Beispiel, was für neue Regelungen getroffen wurden oder wie es jetzt erst mal weitergeht. Danach beginnt der Unterricht.
Unterricht digital statt analog
Zum Unterrichtsbeginn „teilt“ die Lehrkraft ihren Bildschirm, sodass alle Schülerinnen und Schüler diesen auf ihren eigenen Bildschirmen sehen können. Dort ist dann meistens eine PowerPoint geöffnet, an der neue Unterrichtsinhalte erklärt werden. In den ersten Stunden war dies eine sehr große Umstellung, da die Lehrkraft nur noch zu hören und nicht auch zu sehen ist. So dem Unterrichtsstoff zu folgen erfordert meiner Meinung nach deutlich mehr Konzentration als in der Schule, da ein „Fixpunkt“ fehlt, den in der Berufsschule meistens die Lehrkraft darstellt. So habe ich mich zu Beginn öfters dabei erwischt, wie ich in meinem Zimmer umhergesehen habe und gedanklich abwesend war. Daher empfand ich den Onlineunterricht besonders am Anfang als intensiver und anstrengender. Das sollte jetzt nicht negativ verstanden werden, da dies auch Vorteile hat: Dadurch, dass ich mich jetzt mehr auf die Themen konzentrieren muss um mitzukommen, merke ich, dass ich generell mehr im Stoff bin. So hatte ich nach einigen Stunden das Gefühl, dass ich fast mehr aus dem Online-Unterricht mitnehme als aus dem normalen Berufsschulunterricht. Außerdem habe ich mich immer mehr an den Online-Unterricht gewöhnt, sodass der fehlende Fixpunkt immer mehr in den Hintergrund getreten ist.
Nach einem Erklär-Segment durch die Lehrkraft werden wir dann meistens in eine Arbeitsphase geschickt. Hierzu wird meistens eine bestimmte Zeit angesetzt in denen Aufgaben, welche schon ein paar Tage vorher auf der gemeinsamen Onlineplattform eingestellt wurden, bearbeitet werden sollen. Durch das frühzeitige Einstellen der Aufgaben können wir diese im Vorfeld ausdrucken und so auch schriftlich bearbeiten. Auch die Präsentationen der Lehrer werden später hochgeladen und so zum Lernen bereitgestellt. Sollten bei den Aufgaben Fragen aufkommen, kann der Chat genutzt werden, um „aufzuzeigen“.
Austausch mit der Lehrkraft per Chat
Während der Arbeitsphase steht die Lehrkraft für Rückfragen bereit und kann über den Chat gefragt werden. Meiner Meinung nach ist dies auch eine der größten Änderungen des Unterrichts. Während in dem klassischen Berufsschulunterricht bei uns sehr viel in Partner- und Gruppenarbeit gearbeitet wurde, wird nun fast alles in Einzelarbeit bearbeitet. Auch dadurch, dass Rückfragen nun „komplizierter“ sind, werden diese nun seltener gestellt. Gleichzeitig ist aber ein Vorteil, dass nun ein viel einfacherer Zugang zum Internet besteht, um gegebenenfalls kleinere Fragen selber nachzuschauen.
Ist die Bearbeitungszeit abgelaufen, wird von der Lehrkraft nachgefragt, ob noch Zeit benötigt wird. Ist dem nicht so, werden die Aufgaben besprochen. Hierzu melden wir uns im Chat oder werden auch ohne Aufzeigen einfach so drangenommen. Sind so die Aufgaben besprochen und bestehen keine Fragen mehr, holen sich die einzelnen Lehrer immer noch ein Feedback von uns Schülern. Dadurch, dass dieser Online Unterricht auch für sie das erste Mal ist, bitten sie um eine kurze Reflexion. Schön zu sehen ist, dass die rückgemeldeten Punkte auch umgesetzt werden – sogar noch Tage später auch von anderen Lehrern. Es wird so also auf unsere Punkte eingegangen.
Ebenfalls neu ist, dass seit dem Online-Unterricht nun auch Hausaufgaben gegeben werden. Diese sind meistens aber nur ein kurzes Vertiefen der behandelten Unterrichtsthemen und so sehr gut zu schaffen.
Der digitale Unterricht klappt besser als gedacht
Abschließend kann ich also sagen, dass ich den Berufsschulunterricht online in der momentanen Situation für sehr ratsam halte. Nach einer anfänglichen Eingewöhnungsphase besteht durch die gute Umsetzung ein großer Lernfortschritt, welcher dem im klassischen Berufsschulunterricht nicht nachsteht.
Arbeitsalltag im Homeoffice
Nicht nur der Berufsschulunterricht, sondern auch der normale Arbeitsalltag hat sich natürlich verändert. Seit einigen Wochen arbeite ich wie alle anderen Kollegen aus dem Homeoffice. An dem letzten Anwesenheitstag im Betrieb habe ich einen Laptop mit nachhause bekommen, über den ich ganz normal arbeite. Tägliche Routinen als Videokonferenzen helfen dabei, mit den Arbeitskollegen in Kontakt zu bleiben. Aufgaben erhalte ich wie sonst auch per E-Mail und bei Rückfragen können Ansprechpartner per Telefon erreicht werden. Durch den dauerhaften Austausch mit den Kollegen kommt zu keiner Zeit das Gefühl auf, alleingelassen zu werden. Des Weiteren ist der nächste Abteilungswechsel erst einmal um einen Monat nach hinten verschoben worden, da eine momentane neue Einarbeitung sich als sehr kompliziert erweisen würde.
Ausblick auf das Leben „danach“
Auch wenn ich mich mit dem Online-Berufsschulunterricht und der Arbeit aus dem Homeoffice arrangiert habe, freue ich mich sehr darauf, meine Klassenkameraden und Arbeitskollegen wiederzusehen. Der persönliche Kontakt ist nämlich das was in Zeiten von Corona fehlt, da hilft leider auch kein Online-Unterricht. Dennoch glaube ich, dass manches nach Corona verändert bleiben wird, da sich jetzt gezeigt hat, wie gut der Unterricht auch digital abgehalten werden kann. So kann ich mir vorstellen, dass vielleicht auch in Zukunft mal öfters davon Gebrauch gemacht wird. Ebenfalls bin ich gespannt, in welcher Form die fehlenden Fortschritte in den jetzt ausfallenden Fächern später nachgeholt werden. Weil es dennoch einiges an Unterrichtsstoff ist, der in der momentanen Situation verloren geht.
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