Das Projekt MYSKILLS erfasst mit neu entwickelten berufsfachlichen Kompetenztests das Können von Menschen mit Arbeitserfahrung, die kein formales Zertifikat vorweisen können. Durch diese Dokumentation sollen Menschen mit informell erworbenen Kompetenzen zukünftig besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Denn in Deutschland haben nicht weniger als 6 – 9 Millionen Menschen in unterschiedlichen Tätigkeiten zwar vielfältige Kompetenzen erworben, aber nie eine Ausbildung abgeschlossen. Ohne ein formales Zertifikat bleiben diese Kompetenzen aber unsichtbar und die Chancen der Bewerber auf dem Arbeitsmarkt sinken dramatisch: die Arbeitslosenquote von „formal Geringqualifizierten“ liegt 4 – 5 mal höher als die von beruflich Qualifizierten.
MYSKILLS macht das berufliche Handlungswissen sichtbar und erleichtert somit eine passgenaue Vermittlung in ein Praktikum, eine Arbeitsstelle oder eine zielgerichtete Nach- bzw. Teilqualifizierung. Die Tests liegen aktuell für acht Ausbildungsberufe bundesweit in Arbeitsagenturen und Jobcentern vor, zukünftig werden es 30 sein. Dieser Beitrag beleuchtet den Hintergrund des Projektes und erklärt, weshalb es wichtig ist, das Potenzial hinter informell oder non-formal erworbenen Kompetenzen zu heben.
Bereits heute arbeiten Menschen ohne Berufsabschluss nur zu 30 % als Helfer. 54,4 % werden als Fachkraft und 6,6 % gar als Spezialist oder Experte (9 %) eingesetzt. Das zeigt, dass „gering qualifiziert“ durchaus nicht „unqualifiziert“ bedeutet. Aber im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern haben es Menschen ohne Berufsabschluss in Deutschland besonders schwer, ihre Kompetenzen am Arbeitsmarkt nutzbar zu machen, wenn sie sich neu auf eine Stelle bewerben. Während erfahrene Bewerber beispielsweise in Österreich oder Dänemark auch ohne Abschluss hohe Einstellungschancen haben, wenn sie über informell erworbene Kompetenzen verfügen, ist in Deutschland die Arbeitslosigkeit fast unabhängig davon, ob diese vorliegen. Der deutsche Arbeitsmarkt orientiert sich nach wie vor mehr an der formalen Qualifikation als am tatsächlichen Können. Wie wichtig dennoch informell – also z. B. am Arbeitsplatz – erworbene Kompetenzen sind, zeigt eine Arbeitgeberbefragung: informelles Lernen ist für sie mittlerweile die wichtigste Kompetenzquelle im Betrieb, mit deutlichem Abstand vor non-formalem und formalem Lernen.
Eine spezielle Herausforderung stellt dies im Falle der Arbeitssuchenden aus Asylländern dar. Denn bis zu 87 % von ihnen können keinen formalen Berufsabschluss vorweisen, wenn sie nach Deutschland kommen. Das liegt unter anderem daran, dass gerade Ausbildungsberufe in der Regel „on-the-job“ gelernt werden, z. B. durch Mitarbeit im Betrieb eines Verwandten. Ein festes Ausbildungscurriculum oder gar eine einheitliche Abschlussprüfung gibt es dort nicht. Wenn diese Arbeitnehmer in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden sollen, müssen ihre Kompetenzen sichtbar werden.
Angesichts des Fachkräftemangels zeigt sich ein deutlicher Bedarf, auch Können jenseits formaler Ausbildungsnachweise sichtbar zu machen. Die Zielgruppe ist groß: Sie reicht von Menschen, die ihre Kompetenzen informell in Deutschland oder im Ausland erworben haben bis hin zu Menschen, die zwar einen formalen Abschluss gemacht haben, jedoch nach langer Zeit spezialisierter Berufstätigkeit nicht alle Kompetenzen aufrechterhalten konnten. In beiden Fällen ist eine valide Einschätzung der aktuell vorliegenden beruflichen Kompetenzen nötig, um Bewerber passgenau zu platzieren.
Um diesem Bedarf nachzukommen, ermöglicht MYSKILLS nun die Kompetenzen von Bewerbern objektiv und standardisiert einzuschätzen. Jeder der 30 Tests prüft ein Berufsbild. Über eine Testdauer von drei bis vier Stunden bearbeitet der Teilnehmer hierbei durchschnittlich 125 Fragen aus verschiedenen Handlungsfeldern am Computer. Die Tests liegen in sechs Sprachen vor (Deutsch, Englisch, Arabisch, Türkisch, Russisch, Farsi), sind video- und bildgestützt sowie kultursensibel. Entwickelt wurden sie gemeinsam mit Experten aus Theorie und Praxis: Meistern, Ausbildern, Berufsschullehrern, Kammerprüfern und Wissenschaftlern. Das Testergebnis ordnet die Kompetenzen schließlich für jedes Handlungsfeld eines Berufs auf einer vierstufigen Skala ein. So kann anschließend das Profil des Bewerbers passgenau einem Arbeitgeber und dem Bedarf eines Betriebes zugeordnet werden. Während die Tests nicht die anschließende Arbeitsprobe ersetzen, geben sie einen klaren Hinweis darauf, in welchen Fällen diese überhaupt sinnvoll ist. Das Testergebnis kann auch Kompetenzlücken sichtbar machen und Hinweise auf notwendige (Teil-)Qualifizierungen aufzeigen. MYSKILLS bietet damit eine valide Einschätzung der beruflichen Kompetenzen und Einsatzmöglichkeiten und ergänzt damit das Instrumentarium für Fachkräfte in Jobcentern und Arbeitsagenturen.
Weitere Informationen zu dem Projekt finden Sie unter www.myskills.de
Weitere Beiträge der Serie:
MYSKILLS im Einsatz (1) –Hintergrund und Ziele der neuen, berufsfachlichen Kompetenztests
MYSKILLS im Einsatz (2) – Medienberichte zeigen, wie MYSKILLS neue Chancen eröffnet
MYSKILLS im Einsatz (3) – Die Biografie von Hossein Kowsari
MYSKILLS im Einsatz (4) – Die Biografie von Ahmadi Zaman Mahmod
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