Wie gelingt Kompetenzentwicklung bei Beschäftigten in Einfacharbeit?
Das war die Frage auf der 1. Jahrestagung vom BMBF-geförderten Projekt RessourcE letzte Woche im Martinsclub Bremen e. V. Ich durfte einen von zwei Impulsen zu Teilqualifikationen geben. Dabei habe ich meinen Schwerpunkt auf die individuellen Chancen für Job-Einstieg und Aufstieg gesetzt, die diese abschlussorientierte Weiterbildung vor allem formal Geringqualifizierten bietet. Ich habe gezeigt:
1. wie mit Teilqualifikationen im Jobmonitor eine detailliertere regionale Arbeitsmarktanalyse möglich ist als beim ausschließlichen Blick auf Berufe
2. wie mit meine-berufserfahrung.de und MYSKILLS Vorerfahrungen und berufliches Handlungswissen in verschiedenen Teilqualifikationen erfasst werden können und
3. wie mit MYTQ vorhandene Kompetenzlücken geschlossen werden können.
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion bestand Einigkeit darin, dass ein Berufsabschluss den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit und die beste Chance auf hohe Löhne bietet, dass aber Teilqualifikationen ein guter Ansatz für die große Herausforderung der Qualifizierung von über 4 Millionen erwachsenen (25+) Geringqualifizierten sein können.
Wie müssen TQ in der Einfacharbeit ausgestaltet und gerahmt sein?
Kontrovers diskutiert wurde jedoch die Frage, ob beim Zuschnitt von Berufen in 5 – 8 Teilqualifikationen ein curricularer Ansatz (z. B. 1. Hälfte 1. Lehrjahr… 2. Hälfte 3. Lehrjahr) verfolgt werden sollte. Also quasi eine Ausbildung in Schritten mit einem Nutzen für die Lernenden erst ganz am Ende der gesamten Lernreise. Oder ob jede einzelne Teilqualifikation einen eigenen Wert am Arbeitsmarkt haben sollte (z. B. TQ 1 Kassieren, TQ 2 Bedienen, Beraten und Verkaufen …). Letzteres würde für jeden Schritt auf dem Lernpfad einen direkten Anreiz in Form von zunehmend breiteren Jobchancen (und ggf. mehr Gehalt) setzen und direkt dem Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenwirken.
Nachdem Tina Hofmann von ver.di auf den bisher eher geringen Erfolg von TQ mit Blick auf das tatsächliche Nachholen eines Berufsabschlusses hingewiesen hatte, brachte Peer Rosenthal von der Arbeitnehmerkammer Bremen mit „4 Garantien“, eine spannende Forderung institutioneller Rahmenbedingungen für das Gelingen des Aufstiegsversprechen durch TQ in die Diskussion ein:
1. Teilnahme-Garantie – Arbeitgeber dürfen kein Veto gegen eine 2., 3., 4., … TQ einlegen.
2. Förder-Garantie – Arbeitsagenturen und Jobcenter müssen auch die 2., 3., 4., … TQ fördern.
3. Angebots-Garantie – Bildungsträger müssen auch die 2., 3., 4., … TQ anbieten.
4. Begleit-Garantie – Coaching- und Mentoringangebote unterstützen den Übergang zur 2., 3., 4., … TQ.
Ich bin gespannt auf das von Herrn Rosenthal angekündigte Positionspapier, das diese Punkte weiter ausführt und vielleicht konkrete praxistaugliche Ausdifferenzierungen liefert. Dabei frage ich mich z. B. nach Zeiträumen, in denen Freistellung, Förderung und Angebot für eine weitere TQ erfolgen soll, so dass dabei nicht der laufende Betrieb des Arbeitgebers oder die Wirtschaftlichkeit der Bildungsträger gefährdet werden. Ich jedenfalls freue mich über jede Person, die den ganzen Weg von der Einfacharbeit bis zum Berufsabschluss geht, aber auch über jede TQ, die sie auf dem Weg dahin absolviert und die zu mehr kompetenzadäquater Arbeit, Entlohnung und Fachkräftesicherung beiträgt.
Fazit
Vor allem für die Pflege, die vom demografischen Wandel gleich doppelt betroffen ist – immer weniger Pflegende stehen immer mehr zu Pflegenden gegenüber – scheint der TQ-Ansatz eine interessante Option zu sein. Gerade in Kombination mit der Anerkennung bereits vorhandener Kompetenzen, die als Hilfskraft oder in der häuslichen Pflege informell erworben wurden. Wenn ich es mir aussuchen kann, würde ich jedenfalls lieber von nachgewiesen Teilqualifizierten als von tatsächlich Ungelernten gepflegt werden.
Vielen Dank an Peter Bleses und Melanie Philip für die Einladung und den konstruktiven Austausch!
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