In Zeiten von Corona über etwas Anderes zu schreiben als über die aktuelle Situation der Menschen und die Auswirkungen der Corona-Krise ist ein schwieriges Unterfangen. Nicht wenigen Veröffentlichungen, die andere Themen zum Inhalt haben, wird vermutlich das Los der Nichtbeachtung zuteil, zu viele drängendere Problemlagen und Ängste stehen derzeit im Vordergrund. Viele Probleme von gestern – vor Corona – werden sich allerdings nicht in Luft aufgelöst haben, einige werden durch die erwartete wirtschaftliche Entwicklung verstärkt wieder auf uns zukommen. Eines dieser Probleme finden wir in Deutschland auf dem Ausbildungsmarkt.

Die Situation am Ausbildungsmarkt

Folgt man Berichten über die Lage am Ausbildungsmarkt in Deutschland, so entsteht auf der einen Seite der Eindruck, es fehle überall im Lande an Ausbildungsbewerbern. Eine zuletzt mehrmals in Folge gestiegene Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen untermauert diesen Eindruck. Nicht besetzte Ausbildungsplätze können dabei ein erhebliches Problem für die betroffenen Unternehmen und Betriebe darstellen und ganze Branchen schwächen, wenn der benötigte Nachwuchs an Fachkräften nicht mehr zur Verfügung steht.

Dass auf der anderen Seite eine noch größere Zahl an Jugendlichen trotz intensiver Suche keinen Ausbildungsplatz findet, bleibt bei dieser Betrachtungsweise häufig unbeachtet. Das liegt auch daran, dass nicht wenige Jugendliche aufgrund der erfolglosen Suche erstmal eine Alternative wählen, indem sie beispielsweise Berufsschulangebote zum Erwerb eines höheren Schulabschlusses wahrnehmen. Sie fallen dann in der Ausbildungsstatistik aus der Gruppe der „Unversorgten“ heraus und werden erst auf den zweiten Blick als Ausbildungssuchende identifiziert.

Auch wenn das Streben nach höheren Bildungsabschlüssen grundsätzlich positiv zu sehen ist, gilt das in vielen Fällen nur bedingt. Nämlich dann, wenn Jugendliche ihren ursprünglichen Vermittlungswunsch für eine Berufsausbildung aufrechterhalten und damit deutlich machen, dass der weitere Schulbesuch nicht ganz freiwillig erfolgt, sondern eher den Charakter einer Notlösung hat.

Jugendliche ohne Ausbildungsplatz

Vergleicht man die Zahl der offenen Ausbildungsstellen mit der Zahl der Ausbildungsinteressierten so wird deutlich, dass selbst bei optimaler Passung zu wenig Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen, um allen Jugendlichen die Chance auf einen Ausbildungsplatz zu geben. (Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2019, S. 14). Und sollten die Erwartungen vieler Ökonomen zutreffen und die Wirtschaft in Deutschland aufgrund der Covid19-Pandemie schrumpfen, ist damit zu rechnen, dass auch die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze sinken wird – und die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage noch größer ausfällt.

Viele Jugendliche, die heute keinen Ausbildungsplatz finden, münden in Angebote des Übergangssektors ein. Einige tun das mit dem Ziel, einen höheren Schulabschluss zu erwerben, um anschließend mit besseren Voraussetzungen erneut auf dem Ausbildungsmarkt nach einer Lehrstelle zu suchen. Andere sind beruflich noch nicht ausreichend orientiert und nehmen an entsprechenden Maßnahmen teil, um eine qualifizierte(re) Berufswahlentscheidung treffen zu können. Wieder anderen wurde mangelnde „Ausbildungsreife“ attestiert, die mithilfe von Maßnahmen nachträglich hergestellt werden soll.

Gemeinsam ist den Angeboten und Maßnahmen des Übergangsbereiches, dass sie im Wesentlichen keine auf eine Ausbildung anrechenbaren Elemente beinhalten und daher den Weg zu einem Berufsabschluss verlängern. Zudem ist eine absolvierte Maßnahme kein Garant für einen Übergang in Ausbildung – nicht wenige Jugendliche finden sich anschließend in einer weiteren Maßnahme wieder.

Es verwundert daher nicht, dass etliche Ausbildungsbewerber auf dem Weg zu einer Berufsausbildung „verloren“ gehen und schließlich als Geringqualifizierte in die Statistiken eingehen. So stieg die Zahl der jungen Menschen ohne Berufsabschluss zuletzt auf über 2,1 Millionen (Berufsbildungsbericht 2019, S. 48). Diese Zahlen müssen sowohl aus individueller als auch aus gesellschaftspolitischer und wirtschaftlicher Sicht alarmieren.

Was also ist zu tun?

Eigentlich ist es ganz einfach: wir brauchen mehr Ausbildungsplätze, und zwar in den Regionen, in denen sie fehlen. Etwa im Ruhrgebiet, wo die Angebots-Nachfrage-Relation in etlichen Arbeitsagenturbezirken für Ausbildungssuchende immer noch sehr ungünstig ist. Oder in strukturschwachen Regionen, wo die ANR zwar einen Angebotsüberhang zeigt, das konkrete Ausbildungsangebot allerdings (zu) wenig Auswahl bietet.

Dieses verlässliche zusätzliche Angebot an Lehrstellen ist in den bestehenden Strukturen am ehesten über eine öffentliche Finanzierung zu erreichen, da auf diese Weise die Steuerung des Angebots jenseits von betrieblichen Einzelinteressen ermöglicht wird. Dennoch muss sie subsidiär angelegt sein, um betriebliche Ausbildungsplätze nicht zu verdrängen.

Wenn es gelingt, ein solches Angebot bedarfsgenau dauerhaft zu installieren, ist sowohl den Jugendlichen als auch den Betrieben geholfen und nicht zuletzt auch der öffentlichen Hand, die mögliche Folgen von Nichtausbildung – soziale wie finanzielle – vermeiden kann. Dazu müssen jedoch einige Bedingungen erfüllt sein, wie sie in der Broschüre Alle Jugendlichen in Ausbildung bringen – wie geht das? Bedingungen und Gestaltung ergänzender, öffentlich geförderter Ausbildung zusammengefasst sind und die ich in einem weiteren Blogbeitrag näher erläutern werde.