Was hat die Länge der Schulpflicht mit erfolgreichen Übergängen junger Menschen in Ausbildung und Beruf zu tun? In Österreich macht man sich darüber zurzeit Gedanken: Unter der Überschrift „AusBildung bis 18“ wird dort eine Verlängerung der Schulpflicht diskutiert. Die Hoffnung ist, dass die Jugendlichen durch den längeren Verbleib im Bildungssystem ein höheres Bildungsniveau erreichen und damit letztlich bessere Arbeitsmarktchancen haben. Dafür soll insbesondere mehr Jugendlichen der Weg in eine Berufsausbildung geebnet werden.
Ich war zu einem Vortrag in Wien eingeladen, um die Regelung der Schulpflicht in Deutschland darzulegen und die Erfahrungen vorzustellen, die wir damit in Bezug auf Übergänge in Ausbildung haben. Dabei zeigt sich, dass die in Deutschland im Vergleich zu Österreich längere Schulpflicht nicht dazu geführt hat, dass es keine geringqualifizierten Jugendlichen gibt: erschreckende 13,5 % der 20- bis 29jährigen haben in Deutschland keine abgeschlossene Berufsausbildung. Doch wie kann das sein?
https://de.slideshare.net/BertelsmannStiftung/vom-abschluss-zumanschluss
Neben dem Besuch eines Gymnasiums oder einer lehrbegleitenden Berufsschule kann die Schulpflicht auch in Maßnahmen des sogenannten „Übergangssystems“ erfüllt werden. Diese sind für diejenigen Jugendlichen gedacht, denen der Übergang in Ausbildung nicht auf Anhieb gelungen ist. So besuchen in Deutschland – noch immer – rund 250.000 junge Menschen solche Maßnahmen.
Einige dieser Maßnahmen ermöglichen es den Jugendlichen einen Schulabschluss nachzumachen oder einen höheren Schulabschluss zu absolvieren. Auf Ausbildungszeit angerechnet werden sie in den seltensten Fällen – und ein Übergang in Ausbildung im Anschluss an die Maßnahme wird den Jugendlichen erst recht nicht garantiert. So werden viele Maßnahmen zu demotivierenden Warteschleifen. Mit anderen Worten: Schulpflicht alleine verhindert weder Bildungsarmut noch sichert sie Übergänge in Ausbildung. Worauf es ankommt, ist vielmehr zum einen ein flexibles Ausbildungssystem mit individuellen Unterstützungsmöglichkeiten, in dem jeder eine Chance bekommt. Zum andern braucht es eine Ausbildungsgarantie, die Jugendlichen eine Ausbildung ermöglicht, wenn das Ausbildungsangebot auf dem Markt nicht ausreicht. Und da kann Deutschland von Österreich lernen: In Österreich gibt es die Ausbildungsgarantie seit vielen Jahren.
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