Trotz der positiven Effekte (vgl. Blogbeitrag 2/8) kann Beratung allein keine strukturellen Probleme des Bildungssystems, des Arbeitsmarkts oder der Wirtschaftslage lösen. Hier muss man Beratung auch vor überzogenen Erwartungen schützen bevor diese als Messlatten evaluativ angelegt werden.

So zeigt eine repräsentative Umfrage des Adult Education Surveys, wie unterschiedlich allein die Informationsbedürfnisse der Bevölkerung mit Blick auf Weiterbildung sind. Hinsichtlich des individuellen Informationsstands und Informationsbedarfs kommt der Survey zu folgenden Ergebnissen bzw. Schlüssen:

Jeder zweite Mensch in Deutschland sieht sich in Weiterbildungsfragen gut informiert bzw. weiß, wie er bestimmte Informationen finden kann – sei es über das Internet, Angehörige, Freunde, Vorgesetzte/Kollegen oder Beratungen etc. Es ist nicht nötig, Menschen mit Pflichtberatungen „zu beglücken“. Ungeachtet dessen bieten Beratungen den Vorteil des dialogischen Abgleichs von Selbst- und Fremdeinschätzungen.

  • Rund ein Viertel der Befragten des Adult Education Surveys wünschen sich mehr Informationen. Insgesamt 11 Prozent schätzen sich als gut informiert ein, wollen aber – wie weitere 15 Prozent, die sich nicht ausreichend informiert fühlen – mehr Informationen. Hier gibt es ein offenkundiges Informations- und Beratungsbedürfnis, das bislang nicht befriedigt wird. Diese Menschen müssen (besser) erreicht und beraten werden. Dass das bisher nicht geschieht, hat unter anderem damit zu tun, dass eine Dienstleistung wie die Bildungsberatung regional sehr unterschiedlich bezeichnet wird und auch dadurch in der Bevölkerung nur wenig bekannt ist.
  • Immerhin jeder Fünfte schätzt sich schließlich als nicht informiert ein, wünscht aber auch keine weiteren Informationen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Vorurteile, Fehleinschätzungen, negative Einstellungen im Milieu, geringe Nutzenerwartung, negative Erfahrungen oder fehlender aktueller Bedarf. Eine solche Verweigerungshaltung gegenüber Weiterbildung ist zu akzeptieren. Allerdings könnte man mit Blick auf Vorurteile und Fehleinschätzungen versuchen, die Menschen besser (das heißt vor allem sachgerechter) zu informieren. Gerade diese Gruppe der Verweigerer ist besonders interessant. Gelingt es, diese Personen zu erreichen, dann ließen sich Weiterbildungswiderstände abbauen, die nicht primär in einem Mangel an Zeit und Geld begründet sind, sondern in den Einstellungen. Beratung sollte milieu- bzw. wohnortnah angeboten werden. Die sogenannten „Lernläden“ in Berlin sind ein erfolgreiches Beispiel für Beratungsstellen mit niedrigschwelligem Zugang

Um wirksame Beratungsangebote entwickeln und gestalten zu können, sollte man den Nutzen verschiedener Beratungsleistungen vor allem längerfristig betrachten. Letztlich braucht es in der Angebotslandschaft eine Pluralität, wie sie in der Gesellschaft selbst besteht. Eine Pluralität, die sowohl den verschiedenen Phasen und Lebensstationen des einzelnen Menschen gerecht wird als auch der großen Vielfalt an Biografien. Weder ein allgemeines Beratungsangebot noch eine einzelne Agentur sind in der Lage, alle Milieus und Altersgruppen adäquat zu erreichen. Nach einer Studie aus 2007 (Niedlich, Christ, Korte, Berlinger und Aurich 2007) gibt es in Deutschland 57 verschiedene Typen von Beratungsanbietern.

Je nach Region, Themengebiet oder Träger findet sich für Beratungsleistungen eine große Vielfalt an Arbeitsschwerpunkten und Bezeichnungen. Viele Beratungsstellen existieren nur befristet über Förderprogramme. Die Vielfalt der Beratungslandschaft ist eine Stärke, aber sie erschwert auch massiv die Orientierung für die Ratsuchenden und oft existieren Beratungsstellen nur zeitweise.

Den vollständigen Text aus der Expertise „Bildungslotsen in der Risikogesellschaft“ von Prof. Dr. Bernd Käpplinger finden Sie hier

Beitragsreihe von Prof. Dr. Bernd Käpplinger

  1. Quo Vadis Bildungsberatung – Auftakt zur Blogreihe von Prof. Dr. Bernd Käpplinger (1/8)
  2. Bildung und Bildungsberatung wirken – Ihr ganzer Nutzen zeigt sich jedoch zeitversetzt (2/8)
  3. Beratung nicht mit Erwartungen und Vorgaben überfrachten (3/8)
  4. Erste Herausforderung: Verlässliche und qualitätsvolle Angebotsstruktur und Stabile Finanzierung sichern! (4/8)
  5. Zweite Herausforderung: Beratung 2.0 – Hybride Beratungsformen forcieren! (5/8)
  6. Dritte Herausforderung: Professionelle Institutionen und qualifizierte Berater – Qualitätssicherung in der Bildungsberatung ausbauen! (6/8)
  7. Vierte Herausforderung: Ein „Haus für Beratung zu Bildung, Beruf und Beschäftigung“ in jeder Kommune – Neue Wege in der Beratungslandschaft gehen! (7/8)
  8. Fünfte Herausforderung: Vom Stigma zur Normalität – Alle immer wieder neu erreichen wollen (8/8)