Die beruflichen Schulen in Deutschland leisten einen wichtigen Teil der beruflichen Bildung, indem sie mit einem breiten Spektrum an Ausbildungsgängen junge Menschen auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten. Aber obwohl rund 60 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren in berufliche Schulen einmünden, entsteht häufig der Eindruck, dass beim Thema Lehrkräftemangel andere Schulformen deutlich mehr Beachtung finden.

Dabei fällt es an den beruflichen Schulen schon seit Jahren schwer, den Bedarf an ausgebildeten Lehrkräften zu decken. Besonders in den gewerblich-technischen Fächern fehlt es an qualifiziertem Lehrernachwuchs. Da verwundert es nicht, dass eine „Notlösung“ – Quer- und Seiteneinstieg in das Berufsschullehramt – vielerorts selbstverständliche Praxis geworden ist. Gut ausgebildetes Personal einsetzen zu können, ist jedoch auch für Berufsschulen essentiell.

Heterogenität als Herausforderung

Schon seit jeher sind berufliche Schulen mit einer sehr heterogenen Schülerschaft konfrontiert. In den Klassen der Teilzeitberufsschule werden oftmals Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss und solche mit Abschlüssen bis zum Abitur gemeinsam unterrichtet. Auch das Angebot in den beruflichen Schulen ist groß: es umfasst berufliche Grundbildung für z. B. Neuzugewanderte ohne Deutschkenntnisse ebenso wie Ausbildungsgänge zum Erwerb höherer Schulabschlüsse bis zum Abitur oder Fortbildungen zum Techniker oder Meister. Binnendifferenzierung und didaktische Konzepte, die den vielfältigen Lernenden und Lernniveaus gerecht werden, sind da unerlässlich.

Der Ersatzbedarf für Berufsschullehrer ist immens

Die Zahlen, die der Bildungsforscher Klaus Klemm in der Studie „Dringend gesucht: Berufschullehrer“ nun zum Lehrkräftebedarf und zum Einstellungsangebot vorgelegt hat, sind nichts weniger als alarmierend zu nennen. Da fast 50 Prozent der Lehrer an beruflichen Schulen 50 Jahre und älter sind (an den allgemeinbildenden Schulen liegt dieser Anteil bei rund 40 Prozent), entsteht in den kommenden Jahren ein immenser Ersatzbedarf.

Demnach müssten bis zum Jahr 2020 jährlich 4.000 Lehrkräfte neu eingestellt werden. In der folgenden 5-Jahresperiode sinkt der Bedarf auf rund 3.300 Personen – eine Folge der sinkenden Schülerzahlen in den westlichen Flächenländern. In den östlichen Flächenländern sowie den Stadtstaaten verläuft der Trend umgekehrt, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau. Da in den östlichen Flächenländern allerdings nahezu 60 Prozent der Lehrkräfte 50 Jahre und älter ist, wird sich der Mangel hier besonders verschärfen. In den Jahren 2026 bis 2030 steigt der Einstellungsbedarf erneut an, auf jährlich 4.800 Lehrerinnen und Lehrer im Bundesdurchschnitt. In den Jahren nach 2030 machen sich dann sowohl die ab 2015 gestiegenen Geburtenzahlen als auch eine höhere Quote der aus Altersgründen ausscheidenden Lehrkräfte bemerkbar: Über 6.000 Lehrkräfte müssen demnach jährlich neu eingestellt werden, um den Bedarf zu decken.

Zu wenig Nachwuchs im Lehramtsstudium für berufliche Schulen

Dem hohen Einstellungsbedarf stehen jedoch jährlich nur etwa 2.000 Absolventen des Lehramtsstudiums für berufliche Schulen gegenüber. Es klafft eine Lücke, die nicht einmal durch Quer- und Seiteneinsteiger gedeckt werden kann. Wenn jetzt allerdings gehandelt wird und die Studierendenzahlen für das Lehramt an beruflichen Schulen deutlich gesteigert werden, stünden die Absolventen 2025/2026 zur Verfügung – und der Lehrkräftemangel könnte noch deutlich abgemildert werden: denn die Ausbildung inklusive Vorbereitungsdienst dauert etwa siebeneinhalb Jahre.

Doch wie bringt man mehr junge Menschen dazu, ein Lehramtsstudium für berufliche Schulen aufzunehmen? Und das noch dazu in Fächern, in denen man mit der Wirtschaft mit ihren teils attraktiven Beschäftigungskonditionen in Konkurrenz treten muss? Man kann es keinem Studierenden verdenken, wenn er nach fünf Jahren Universitätsstudium lieber in einen (gutdotierten) Job in der Wirtschaft wechseln möchte, als ein Referendariat von 1-2 Jahren mit einem monatlichen Entgelt von rund 1.200 € brutto anzutreten.

Was getan werden kann

Deshalb sollte man deutlich früher ansetzen, um das Problem mangelnder Absolventenzahlen anzugehen. In Deutschland sind Lehramtsstudien zwar grundsätzlich beliebt, doch vergleichsweise Wenige interessieren sich dafür, an beruflichen Schulen zu unterrichten – was wiederum verständlich ist, wenn man sich die Zugangswege anschaut. Die meisten Lehramtsstudierenden haben ihr Abitur an einem Gymnasium erworben und anschließend das Studium aufgenommen. Berufsschulen sind ihnen aus eigener Erfahrung schlicht nicht bekannt.

Ein Ansatzpunkt ist die Studien- und Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen. Sie kann diese fehlenden Erfahrungen zwar nicht ersetzen, aber sie kann die beruflichen Schulen mit ihren vielfältigen Aufgabenfeldern ins Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler bringen. Ein weiterer, noch vielversprechenderer Ansatz könnte es sein, in alle Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufe II ein Praktikum an beruflichen Schulen zu integrieren.

Welchen Weg man auch immer einschlagen will, um mehr grundständig ausgebildete Lehrkräfte in die beruflichen Schulen zu bringen – jetzt ist die Zeit, zu handeln.

Weitere Informationen rund um die Studien „Dringend gesucht: Berufschullehrer“ sind hier zu finden.