Es ist schon paradox. Zwar ist den meisten Menschen klar, dass man mit Weiterbildung weiter kommt. Aber sich richtig weiterbilden will dann doch nur die Hälfte der Bevölkerung. Warum eigentlich? Und was lässt sich dagegen tun? Diesen Fragen geht der folgende Blogbeitrag nach.

Blickt man auf den Adult Education Survey (2012) so scheinen die Vorteile der Weiterbildung klar: Man will eine berufliche Tätigkeit besser ausüben (60%), Wissen und Fähigkeiten zu einem interessanten Thema (44%) oder für den Alltag (43%) erwerben. Dadurch, so die Hoffnung, sollen sich die beruflichen Chancen verbessern (31%) oder die Arbeitsplatzsicherheit gesteigert werden (22%).

Weiterbildung dient in diesem Sinne vor allem der Sicherung des eigenen Lebensstandards durch Erwerb neuer Kompetenzen. Und der scheint zu gelingen, denn 94% der Weiterbildungsteilnehmenden sind mit dem Nutzen von Weiterbildung zufrieden. Allerdings scheint sich diese Erkenntnis nicht herumzusprechen, denn seit Jahrzehnten nehmen um die 51% der erwachsenen Bevölkerung nicht an Weiterbildung teil.

 

Warum Weiterbildung eher mit lebenslangem Leiden als mit lebenslangem Lernen verbunden wird

Die Barrieren, die Menschen an einer Teilnahme hindern, sind vielfältig und lassen sich auf persönlicher, sozialer und institutioneller Ebene finden:

Viele Menschen haben in ihrem Leben schlechte Lernerfahrungen gemacht. Lehrende ohne pädagogisches Taktgefühl in Schule und Ausbildung, schlecht ausgestattete und unangenehme Lernräume in der Weiterbildung. Es gibt viele Ursachen für eine negative Einstellung zum Lernen. Aus ihr resultiert schließlich die Überzeugung, dass Weiterbildung eher mit lebenslangem Leiden als lebenslangem Lernen zu tun hat.

Auf sozialer Ebene sind es oft fehlende Vorbilder, anhand derer man den Nutzen von Weiterbildung nachvollziehen könnte. Auch die soziale Stigmatisierung von Lernen durch die Peer-Group trägt dazu bei, dass Weiterbildung nicht mit Weiterkommen verknüpft wird. So dürfte die Entscheidung, ob man Freitag abends lieber mit Freunden in die Kneipe oder ins Konzert geht – anstatt in den EDV-Kurs – über alle Bevölkerungsgruppen hinweg recht eindeutig in die erstere Richtung ausschlagen. Aber auch fehlende Gelegenheiten zum Lernen spielen auf der sozialen Ebene eine bedeutende Rolle. Dabei ist es nicht nur die fehlende Hausbibliothek, sondern oft sind es die fehlende Zeit und Ruhe sich mit neuen Inhalten zu befassen, die Weiterbildung verhindern.

Die Weiterbildungsinstitutionen könnten dazu beitragen, Anreize für Weiterbildung zu schaffen, denn immer noch sind viele vorhandene Angebote den potentiellen Interessenten unbekannt. Es reicht eben nicht, das eigene Programm an den bekannten Stellen auszulegen und online anzubieten. Vielmehr sollte wieder mehr über Strategien wie in den 1980ern nachgedacht werden, als z.B. die Volkshochschule eines Münchner Vororts ihr Programm einfach in jedes Postfach der dortigen Bewohner zustellen ließ. Der Anspruch der öffentlichen Weiterbildung ist es schließlich, ein flächendeckendes Angebot vorzuhalten. Dazu sollte man flächendeckendes Marketing betreiben und nach innovativen Möglichkeiten suchen, die verschiedene Zielgruppen besser zu erreichen. Ein „Back to the roots“ – Ansatz kann dabei durchaus Sinn machen. Allein es reicht nicht, ein Angebot nur bekannt zu machen, es sollte auch den Bedarf der Zielgruppe entsprechen. Ein stetiges Adaptieren des eigenen Programms gehört sicher schon bei vielen Anbietern zum guten Ton. Gut wäre es aber, sich durch eine konsequent nutzerbasierte Gestaltung neuer Angebote bisher unerreichte Zielgruppen zu erschließen. Allerdings wird die Frage wie die späteren Nutzer in die Programmgestaltung eingebunden werden in der Weiterbildung bisher nur am Rande diskutiert. Die Ansprache neuer Nutzer kann gelingen, denn am Bedarf erstellte Angebote haben einen klaren Mehrwert für die Lernenden. Neben dem Erwerb neuer Kompetenzen kann der Mehrwert auch der Anschluss an neue soziale Kreise sein, oder die Verwirklichung bereits vorhandener Kompetenzen als Ko-Dozent im Kurs.

Wenn Lerner und Angebot nicht zusammenpassen, helfen Weiterbildungsberatung und konsequente Personalisierung

Die Weiterbildung könnte mehr Nichtteilnehmende erreichen, wenn Lösungen auf oben genannte Herausforderungen gefunden werden. Sie könnte auch Teilnehmende besser halten, denn deren Top 3 Gründe für Unzufriedenheit mit Weiterbildung liegen nicht weit von den Gründen weg, die zur Nichtteilnahme führen: So sind Unzufriedenheit mit dem Angebot (42%), mit nicht passenden Themen (38%) und unpassenden Anforderungen (35%) ein Hinweis darauf, dass die Vorteilsübersetzung nicht gelingt. Mangelnde Transparenz des Angebots und Beratung sowie eine fehlende Anerkennung erworbener Kompetenzen tun ein Übriges dazu, die Lust auf Weiterbildung zu verlieren, bevor sie überhaupt entwickelt wurde.

Ein Lösungsansatz ist die stärkere Personalisierung der Weiterbildung. Theoretisch lässt sie sich anhand von sechs Prinzipien zusammenfassen – die praktisch sicher nicht so einfach umzusetzen sind, wie mancher Bildungstheoretiker meint. Trotzdem sollte sich die Praxis nicht so schnell aus der Verantwortung stehlen – denn wenn ein Bildungsbereich das Potenzial hat, Innovationen schnell zu entwickeln und zu skalieren, dann die immer schon vielfältige Weiterbildung.

Mit Blick auf die weitere Gestaltung von Weiterbildung gilt es also stärker als bisher:

  • vorhandene Erfahrungen und Kompetenzen zum Ausgangspunkt weiteren Lernens zu machen,
  • aufeinander aufbauende Lerneinheiten mit steigenden Schwierigkeitsgraden bereitzustellen, die eine kontinuierliche Erweiterung der Kompetenzen ermöglichen,
  • praxisnahe Lerninhalte zur Verfügung zu stellen, die eine starke emotionale Beteiligung erzeugen, denn diese wirkt motivierend und langfristig lernförderlich,
  • Erkenntnisse dazu, wie Lernen funktioniert, in die Gestaltung der Angebote einfließen zu lassen, da so Lernende ihre Lerntechniken optimieren können,
  • die Gestaltung der Lernangebote (Lernweg, Lernmedien, Lernziele) in Kooperation mit den Lernenden vorzunehmen, um das Angebot gleich von Anfang an am Bedarf dieser auszurichten,
  • das Lernen in Gruppen einzubetten, die das Lernen unterstützen und einen praxisnahen Kontakt zwischen Peers sowie den Blick auf Vorbilder fürs Lernen ermöglichen.

Personalisiertes Lernen verbindet Lerner und Angebot, wodurch sich nicht nur die Attraktivität des Angebots und die Intensität der Beteiligung steigern ließen, sondern auch die Wirkung des Lernens. Auch wenn nicht immer ganz klar ist, wie genau das gelingen kann – das Ziel „Personalisierung“ sollten alle in der Weiterbildung Aktiven nicht vorschnell aufgeben. Dann kann es gelingen wenigstens einen Teil der 51% Nichtteilnehmenden doch noch von den Vorteilen der Weiterbildung zu überzeugen.