In letzter Zeit stolpere ich immer wieder über Artikel, die sich mit der Generation Y auseinandersetzen. Das finde ich ziemlich spannend, immerhin gehöre ich selbst zu denjenigen, die zwischen 1980 und 1994 geboren sind – das ist landläufig die Marke, die die Generation Y kennzeichnet. Ich bin Jahrgang 1983, liege also genau in diesem Zeitraum und bin damit ein „digital native“, ein „Millenial“ oder eben ein Mitglied jener sagenumwobenen „Generation Y“.
Wenn man „Generation Y“ bei google eingibt, bekommt man beachtliche 148.000.000 Treffer. Was macht mich und meine Altersgenossen aber so anders, dass sich sämtliche Leitmedien mit uns auseinandersetzen? Dass wir schon jetzt einen Buchstaben des Alphabets für uns allein beanspruchen dürfen? Dass es sogar einen Wikipedia-Artikel gibt, der sich mit uns beschäftigt?
Tja, wenn man der Debatte Glauben schenken darf, dann stellen wir die herrschende Ordnung auf den Kopf und bereiten damit wiederum den Entscheidern in Wirtschaft und Gesellschaft Kopfschmerzen. Wir sind die ersten, die mit dem Internet aufgewachsen sind (auch wenn ich sehr wohl noch weiß, was ein Telefonkabel ist und was die Post damit zu tun hatte!). Wir bewerten Sinn und persönliche Freiheiten höher als sozialen Status und Besitz. Wir wollen die Welt verändern.
Wenn ich mich so umsehe, ist da schon was dran. Dank Smartphone ist man eigentlich immer online und ich empfinde das weniger als Belastung denn als Bereicherung. Meine Generation mietet und teilt vieles lieber anstatt es zu kaufen, Stichwort carsharing, foodsharing oder auch sehr beliebt: Wohnungstausch im Urlaub. Vielen meiner Freunde und mir selber auch war es nach der Uni wichtig, einen Job zu ergreifen, der Spaß macht und Sinn stiftet. Und nein, wir leben nicht alle in Berlin.
Deshalb kann ich nachvollziehen, wenn viele Firmen klagen, dass sie keine Nachwuchskräfte mehr finden. Zu viel Druck, zu wenig Freiheit lassen viele vor der klassischen Karriere zurückschrecken. Was mich aber bei der ganzen Debatte zunehmend stört ist, dass sie diesen einen gewaltigen blinden Fleck hat. Von Führungskräften ist da die Rede, von „high potentials“. Die braucht man, keine Frage.
Aber was ist mit all denjenigen, die nicht unter diese Kategorie fallen? Weil sie nicht an einer Eliteuni studiert haben, vielleicht gar nicht studiert haben? Was ist mit denjenigen, die Pech hatten und durch´s Raster gefallen sind, warum auch immer? Denjenigen, die beruflich betrachtet kaum eine Perspektive haben, weil ihnen die Abschlüsse fehlen? Von denen lese ich im Zusammenhang mit „Generation Y“ nie was. Wieso? Gehören die etwa nicht dazu?
In meiner Definition ist Generation ein Begriff, der eine Alterskohorte kennzeichnet – unabhängig von ihrem Bildungsstand. Und allein die Idee, dass nur Akademiker internetaffin sein sollen und sich einen Sinn im Leben wünschen, ist so abwegig, dass das niemand ernsthaft annehmen kann. Dennoch wird im Zusammenhang mit Generation Y nur über Akademiker und Karriere debattiert. Die Beschäftigung mit der Lebensrealität von Menschen, die keinen lupenreinen, lückenlosen Lebenslauf mit Hochglanzqualifikationen haben, sucht man vergeblich.
Da wird die Schieflage dieser Diskussion deutlich: am oberen Ende der Karriereleiter fehlt der Führungsnachwuchs, weil Karriere (im Sinne von Aufstieg) allein nicht mehr das Ziel vieler gut ausgebildeter Akademiker ist. Am unteren Ende stehen Menschen, die arbeiten möchten, aber nicht können, weil unsere Gesellschaft formale Qualifikationen höher bewertet als das, was jemand tatsächlich kann. Und das in Zeiten des Fachkräftemangels.
Dabei könnte gerade die Debatte um die Generation Y Grundlage für eine breite Diskussion über unsere Arbeitswelt sein. Warum, frage ich als Vertreterin der Generation Y (englisch = y = why) entsprechend stilecht, weiten wir die Diskussion eigentlich nicht aus? Warum betrachten wir dieses Phänomen nicht breiter, ganzheitlicher und vor allem vor dem Hintergrund der ganzen Debatte um Kompetenzanerkennung?
Ich finde ein selbstbestimmtes, sinnerfülltes Leben sollte jedem möglich sein. Dazu gehört Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben. Das muss unabhängig vom formalen Bildungsabschluss erreichbar sein.
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