Berufliche Schulen gelten in der Lehrerbildung als Stiefkind, für die sich nur wenige Lehramtsanwärter entscheiden. Dies gilt insbesondere für das Lehramt der gewerblich-technischen Fächer, wie Metall- und Elektrotechnik, das durch den boomenden Ingenieurarbeitsmarkt kaum als lohnenswerte Option in die Berufswahl junger Studieninteressierter mit einbezogen wird. Seit geraumer Zeit kann der anhaltend hohe Lehrkräftebedarf in diesen Fächern daher schon nicht mehr durch Absolventen eines vollständigen Lehramtsstudiums gedeckt werden und der Rückgriff auf Seiteneinsteiger aus der Industrie ist in den meisten Ländern gängige Praxis. Diese verfügen zwar über wichtige berufspraktische Erfahrungen, die für die beruflichen Schulen unerlässlich sind, haben jedoch in der Regel keine formal erworbenen pädagogisch-didaktischen Kompetenzen, die wiederum das A und O guten Unterrichts sind. Die Einstellungsnot vieler Länder ist derzeit so groß, dass auch die dringend notwendigen Maßnahmen zur angemessenen Nachqualifizierung von Seiteneinsteigern für die Schullaufbahn häufig auf der Strecke bleiben. Bedenkt man die wachsenden Anforderungen, denen das deutsche Schulsystem in den nächsten Jahren begegnen muss, ist diese Entwicklung bedenklich und gefährdet mittelfristig die Qualität des Unterrichts und der beruflichen Bildung insgesamt. Steigende Vielfalt in den Klassenzimmern aller Schulformen durch die Umsetzung der Inklusion und die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher ins deutsche Schulsystem sowie drastisch steigende Schülerzahlen erfordern unbedingt pädagogisches und didaktisches Rüstzeug auf Seiten des Lehrpersonals.

Das massenhafte Ausweichen auf Seiteneinsteiger ohne diese Qualifikationen darf deshalb kein Dauerzustand sein. Gleichwohl verharren die Absolventenzahlen grundständiger Lehramtsstudiengänge in den gewerblich-technischen Fachrichtungen auf einem traditionell sehr niedrigen Niveau. Eine Erhebung des Monitor Lehrerbildung aus dem Winter 2016/17 zeigt, dass diese vielerorts im niedrigen einstelligen Bereich liegen und nicht zu erwarten ist, dass der Lehrkräftebedarf durch klassische Lehramtsabsolventen gedeckt werden kann. Dieser Zustand ist aber nicht neu, sondern besteht seit Jahrzehnten, weshalb dringend von der Idee Abstand genommen werden sollte, dass das grundständige Lehramtsstudium in dieser Fächergruppe den Königsweg darstellt. Deshalb ist dringend ein Maßnahmenpaket notwendig, um die Lehramtsausbildung neu auszurichten.

Das Lehramt für berufliche Schulen ist das einzige Lehramt, das zwingend eine mindestens einjährige fachpraktische Tätigkeit voraussetzt, weshalb hier Berufspraktiker eine durchaus willkommene Zielgruppe darstellen, um nachträglich ins Lehramt zu wechseln. Es gilt also, Zugangswege zu etablieren, die dieser Zielgruppe einen Wechsel ins Lehramt ermöglichen, der ihnen strukturiert die notwendigen pädagogischen und didaktischen Kompetenzen vermittelt. Quereinstiegs-Masterstudiengänge, wie sie an einigen Standorten im Laufe der letzten Jahre eingerichtet worden sind, sind eine gute Möglichkeit, diese Bedingungen zu schaffen. Sie richten sich an Absolventen ingenieurwissenschaftlicher (Bachelor-)Studiengänge, in der Regel auch von Fachhochschulen, die sich für das Lehramt interessieren. An einigen Standorten können diese Masterstudiengänge auch berufsbegleitend studiert werden, so dass am Ende die formale Qualifikation für den Vorbereitungsdienst vorliegt. An der Technischen Universität München können sogar Masterstudium und Vorbereitungsdienst in einem integrierten Modell in nur sechs Semestern absolviert werden. Solche Wege zur Flexibilisierung der Lehramtsausbildung sind ein wichtiger Schritt, um das Lehramt in gewerblich-technischen Fachrichtungen attraktiver zu machen und den Ein- bzw. Umstieg ins Lehramt nicht nur zu erleichtern, sondern auch mit den notwendigen Qualitätsstandards zu unterlegen. Sie sollten daher bundesweit etabliert werden und eine echte Alternative zum grundständigen Lehramtsstudium darstellen. Nichtsdestotrotz bedarf es auch einer weitreichenden Imagekampagne, um das Lehramt für berufliche Schulen bekannter zu machen, denn die besten Modelle helfen nicht, wenn niemand sie kennt. Hier sind besondere Anstrengungen aller Beteiligten notwendig und Politik, Hochschulen, Verbände, Schulen und Unternehmen müssen sich gleichermaßen für die Sicherung des gut ausgebildeten Lehrkräftenachwuchses engagieren.

In unserer neuen Publikation „Attraktiv und zukunftsorientiert?! – Lehrerbildung in den gewerblich-technischen Fächern für die beruflichen Schulen“ gehen wir den Fragen nach, wie die Lehrerbildung in diesen Fachrichtungen zukünftig gestaltet werden sollte, um den Nachwuchsproblemen zu begegnen und welche Herausforderungen hierbei bestehen. Die Publikation steht zum Download zur Verfügung und kann auch als Printversion kostenlos bestellt werden. Auf der Website des Monitor Lehrerbildung finden sich außerdem weitere vertiefende Daten von Hochschulen und Ländern zum derzeitigen Stand (Winter 2016/17) der Lehrerbildung für die beruflichen Schulen.

Der Monitor Lehrerbildung ist ein Kooperationsprojekt von Bertelsmann Stiftung, CHE Centrum für Hochschulentwicklung, Deutsche Telekom Stiftung und Stifterverband.