Ab heute können Kundinnen und Kunden der Bundesagentur für Arbeit bundesweit in 26 von 30 Berufen per computergestütztem Test ihr berufliches Können zeigen. Einer davon ist „Bäcker/in“. Welche Chancen diese Tests auch für Unternehmen bieten, die offene Stellen haben, haben wir an fachkundiger Stelle überprüfen lassen.

Im Februar 2019 habe ich den MYSKILLS-Test „Bäcker/in“ Hildegard M. Keil vorgestellt. Sie ist Verlegerin und Chefredakteurin vom BackMarkt [1]. Als volkswirtschaftlich vorgebildete Fachexpertin bewegt sie sich seit Jahrzehnten in der Backbranche und ist mit allen Entwicklungen vertraut.

Sie war nach eingehender Prüfung überzeugt vom Test und hat die ersten Seiten in Ausgabe Nr. 3/19 im BackMarkt  MYSKILLS gewidmet. Ihren Kommentar hat sie mit „An der Realität orientiert“ überschrieben. Dieser Kommentar bezieht sich an einigen Stellen mit seinem Zahlenmaterial auf den Beruf „Bäcker/in“. Viele Grundaussagen lassen sich aber auf andere Berufe übertragen, die genau wie die Backbranche unter schrumpfenden Azubi-Zahlen und fehlenden Fachkräften leiden. Mit ihrer Erlaubnis dürfen wir in unserem Blog ihren Kommentar veröffentlichen, der gleichzeitig ein Plädoyer dafür ist, auch auf neuen Pfaden Personal zu finden:

„Unternehmer, die über mangelndes Personalangebot klagen, gibt es wie Sand am Meer, vor allem, wenn auch noch fachliche Qualifikation gefordert ist. Die wird allerdings häufig mit dem Lehrabschluss gleichgesetzt, dem Siegel der dualen Ausbildung, um die »uns« so mancher Arbeitgeber in anderen Ländern, die keinen formalen Befähigungsnachweis kennen, zu Recht beneidet. Das System der deutschen Ausbildungsberufe hat über Jahre und Jahrzehnte vor allem im Handwerk exzellent funktioniert und einen hohen Ausbildungsstand produziert. Das kann und sollte auch so bleiben.

Doch inzwischen haben sich ein paar Dinge verändert, die man als Unternehmer in der Backbranche nicht ignorieren kann und sollte. Die Zahl der Neuabschlüsse von Lehrverträgen ist in den ergangenen zehn Jahren deutlich gesunken, daran ändert auch der zarte Aufwärtstrend 2017 nichts.

Quelle: Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes

Die Zahl der Auszubildenden im Berufsfeld Bäcker sank von 2008, als noch 14.064 Azubis in den Betrieben eine Ausbildung absolvierten, auf 6.225 im Jahr 2017. Nicht nur das, die Quote der vorzeitigen Lösungen liegt seit geraumer Zeit ziemlich konstant bei 20 %, im Klartext, jeder Fünfte geht wieder, bevor er den Gesellenbrief in der Tasche hat. Diese Entwicklung hat viele Ursachen, nicht alle liegen bei den jungen Leuten. Darüber kann man streiten, lohnt sich aber eher wenig. Hilfreicher ist es, die vorhandene und für gut befundene duale Ausbildung und ihre Akzeptanz weiter zu fördern und gleichzeitig etwas gegen den Facharbeitermangel zu unternehmen. Es geht nicht um Entweder-Oder, sondern um zusätzliche Chancen.

Quelle: Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes

Was Arbeitsagenturen und die Bertelsmann Stiftung zusammen auf die Beine gestellt haben, kann ein Weg sein, wenn man denn will. Wer dort als Arbeitssuchender getestet wird, bekommt eine Einschätzung, was er oder sie kann und mitbringt. Freie Träger sollen helfen, die Menschen, die in der Regel älter als 25 Jahre sind, sprachlich, fachlich und sozial so auf die Beine zu stellen, dass sie einerseits wertvolle Arbeit leisten können und andererseits dem betrieblichen Alltag hierzulande standhalten. Arbeitgeber haben die Chance, diese Menschen im Betrieb an Positionen einzusetzen, die ihren Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechen und es lohnt sich auch darüber mit den Arbeitsagenturen zu diskutieren, ob der Proband gleich komplett vom Betrieb angestellt wird oder ob er zunächst bei einem freien Träger in eine geförderte Qualifizierung geht und den betrieblichen Teil der Ausbildung in der Bäckerei realisiert.

Dieser neue Weg ist kein Königsweg und auch kein Garantieschein, aber eine Chance für Betriebe, die bereit sind, vorhandene Denkmuster aufzubrechen. Wer von vornherein den Misserfolg für garantiert hält, weil junge Leute »ja doch kein Bäcker werden wollen«, der sollte vielleicht mal darüber nachdenken, dass das nicht für alle gilt. 2017 stieg die Zahl der Ausbildungsverträge mit Ausländern in Deutschlands Handwerksbäckereien immerhin um 52 % gegenüber dem Vorjahr. Es gibt also durchaus Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren. Die gehen vielleicht nicht immer den klassischen Weg, vor Allem wenn sie bereits ein wenig älter sind. Aber es spricht auch nichts dagegen, diese Menschen innerhalb oder außerhalb des Betriebes weiterzubilden und, wenn möglich und gewollt, eine formale Prüfung ablegen zu lassen.

Alles, was man dafür tun muss, ist sich mit den Arbeitsagenturen und Jobcentern in Verbindung zu setzen, seine offenen Stellen zu melden und nach Leuten, die den bäckereispezifischen Test von MYSKILLS mit ganzem oder teilweisem Erfolg absolviert haben, zu fragen.“

Soweit also der Kommentar von Hildegard Keil zu MYSKILLS. Details darüber, wie sie den Test „Bäcker/in“ sieht und was er leistet, veröffentlichen wir in einem der nächsten Blogartikel.

Weitere Beiträge:
Teil 2 – Handwerker überzeugt von MYSKILLS

 

[1] Backmarkt = Brancheninformationsdienst (in Print und als ePaper) für Firmeninhaber und Führungskräfte der deutschsprachigen Backbranche, mit dem Sortiment befasste Führungskräfte aus Großhandel und Lebensmittelhandel sowie Zulieferfirmen der Branche. Der Infodienst erscheint 16 x pro Jahr.