Ohne Recht auf Anerkennung der non-formal und informell erworbenen Kompetenzen werden insbesondere Geringqualifizierten berufliche Weiterentwicklungschancen verbaut
Deutschland braucht ein verbindliches Anerkennungssystem für non-formal oder informell erworbene Kompetenzen, um Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt herzustellen und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Andere europäische Länder zeigen auf, wie Anerkennungssysteme ausgestaltet werden können. Was die anderen Länder besser machen und was Deutschland besser machen kann, wird in der Studie „Wenn aus Kompetenzen berufliche Chancen werden“ aufgezeigt.
Warum es eine rechtliche Grundlage braucht?
Wir wissen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen Bildung und sozialem Status gibt. Gerade Geringqualifizierte erwerben berufliches Wissen überwiegend während der Arbeitszeit oder im Ehrenamt. Doch im bestehenden System nutzt ihnen das wenig, denn diese Qualifikationen verbessern ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht hinreichend.
Die rechtlichen Grundlagen sichern, dass die Ergebnisse des Anerkennungsverfahrens verbindlich und verwertbar werden. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, wie die Anerkennung informellen Lernens in anderen europäischen Ländern jeweils rechtlich verankert ist und für welchen Bereich sie gilt. In vielen Ländern gibt es teils seit Jahrzehnten das Recht auf Anerkennung der non-formal und informell erworbenen Kompetenzen. Jeder Franzose und Norweger hat einen rechtlichen Anspruch darauf, seine Kompetenzen prüfen und beglaubigen zu lassen. Ähnlich interessante Ansätze finden wir in Finnland, Dänemark oder den Niederlanden. Ohne einen Rechtsanspruch wird sich kein verbindliches, anerkanntes und bekanntes System entwickeln können.
Was in Frankreich seit Jahren Praxis ist, könnte auch in Deutschland eingeführt werden
In Frankreich beispielsweise besteht ein umfassender Rechtsanspruch auf Prüfung der Kompetenzen, die man im Rahmen einer mindestens dreijährigen Tätigkeit erworben hat. Hierbei ist es unerheblich, ob es sich um eine bezahlte, unbezahlte oder freiwillige Tätigkeit handelt. Die Prüfung führt zu einer offiziellen, zur Erstausbildung rechtlich gleichartigen Zertifizierung. Auf diese Weise kann in Frankreich jeder Berufsabschluss durch die Anerkennung non-formaler und informeller Kompetenzen erworben werden. Das Zertifikat, das die erfolgreichen Teilnehmer erhalten, gibt keine Aufschlüsse darüber, wie die Kompetenzen erworben wurden, es handelt sich um eine tatsächlich gleichartige Qualifikation.
…und was könnten die ersten Schritte für Deutschland sein?
In Deutschland könnte in einem ersten Schritt die Möglichkeit zur Prüfung der Qualität informell erworbener Kompetenzen rechtlich verankert werden – analog zu den Möglichkeiten, die es gibt, ausländische Abschlüsse anerkennen zu lassen.
Eine jahrelang in der Pflege beschäftigte Aushilfe ohne Ausbildungsabschluss hat dabei viele Grundlagen und Arbeitsabläufe der Altenpflege erlernt. Sie hätte nun ein Recht auf Prüfung und Anerkennung dieser Kompetenzen.
Eine Vision meiner Kollegin Julia Behrens, wie das zukünftig aussehen könnte Kompetenzanerkennungskompetenz.
Beitragsreihe zur Anerkennung von Kompetenzen:
- Teil 1/5: Gesetzliche Grundlagen – Ohne Recht auf Anerkennung der non-formal und informell erworbenen Kompetenzen werden insbesondere Geringqualifizierten berufliche Weiterentwicklungschancen verbaut
- Teil 2/5: Finanzierung – Die Finanzierung des Verfahrens der Anerkennung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen muss so geregelt werden, dass gerade formal Geringqualifizierten der Zugang erleichtert wird
- Teil 3/5: Verfahren und Instrumente – Ein Anerkennungssystem braucht effiziente Verfahren, die aussagekräftige Ergebnisse liefern. Dies sichert Akzeptanz und erhöht die Nachfrage.
- Teil 4/5: Supportstrukturen – Die Nutzer komplexer Anerkennungsverfahren brauchen einen niedrigschwelligen Zugang zu Information und Beratung. Ein Anerkennungssystem wird sich daran messen müssen, inwiefern es wirkliche Chancen eröffnet.
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