In Zeiten des Fachkräftemangels sind Stellenanzeigen das Aushängeschild von Unternehmen. Wer mit den richtigen Argumenten wirbt, hat bessere Chancen, Mitarbeiter:innen zu gewinnen. Doch unsere aktuelle Analyse zeigt: Familienfreundlichkeit und Zeitsouveränität, also die selbstbestimmte Gestaltung der Erwerbsarbeitszeit, tauchen in den meisten Jobangeboten noch viel zu selten auf.

Unser Vereinbarkeitsmodell: Das finden wir in Stellenanzeigen 

Arbeitgeber:innen werben in ihren Stellenanzeigen mit verschiedenen Angeboten, um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu unterstützen. Unter dem Aspekt der Vereinbarkeitstauglichkeit haben wir die Zeitsouveränität  in Stellenanzeigen untersucht, also das Maß an zeitlicher Selbstbestimmung, das Bewerber:innen angeboten wird. Darunter fallen flexible Arbeitszeitmodelle (also die selbstbestimmte Einteilung der Arbeitszeit), die Möglichkeit, den Arbeitszeitumfang zu wählen (also die Stunden selbst zu bestimmen), der Hinweis auf verlässliche Arbeitszeiten sowie Modelle wie Jobsharing. Darüber hinaus gibt es Angebote zur Familienfreundlichkeit, etwa ein klares Bekenntnis zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, finanzielle Unterstützung bei der Kinderbetreuung, kurzfristige Freistellungen für familiäre Anlässe oder der Hinweis auf wohnortnahe Einsätze – Maßnahmen und Tätigkeitsbeschreibungen, die die Vereinbarkeit erleichtern können. 

Auf der anderen Seite stellen Arbeitgeber:innen bestimmte Erwartungen an Bewerber:innen. Dazu zählen konkrete Anforderungen an die Arbeitszeit, beispielsweise die Bereitschaft, in Randzeiten, am Wochenende oder im Schichtdienst zu arbeiten. Ebenso können Arbeitgeber:innen Mobilitätsanforderungen stellen, etwa in Form von Dienstreisebereitschaft. Viele dieser Erwartungen sind tätigkeitsspezifisch, also eine Anforderung, die mit dem Beruf einhergeht, können aber trotzdem die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erschweren. 

Wenig Familienfreundlichkeit im Stellenmarkt

Zwar geben laut Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit (2023) rund 86 Prozent der Unternehmen an, dass ihnen familienfreundliche Maßnahmen wichtig seien. In den Stellenausschreibungen selbst zeigt sich dieses Bekenntnis jedoch kaum. Von den rund 8 Millionen Stellenanzeigen des Jahres 2024 enthielten lediglich 16,4 Prozent familienfreundliche Angebote. Nur 12 Prozent nannten Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben explizit, und gerade einmal 2,7 Prozent boten Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Etwas häufiger, aber ebenfalls nicht flächendeckend, wird Zeitsouveränität angeboten: 37,8 Prozent der Stellenanzeigen nannten vereinbarkeitstaugliche Arbeitszeitmodelle. Konkret bedeutet das: In 14 Prozent der Anzeigen können Bewerber:innen den Umfang ihrer Arbeitszeit selbst wählen, in 25 Prozent die Verteilung ihrer Wochenstunden.

Weniger Familienfreundlichkeit in männerdominierten Berufen

Besonders deutlich wird die Schieflage beim Vergleich von Berufen mit hohem Frauenanteil und bisher typischen Männerberufen. In frauendominierten Tätigkeiten , wie der Altenpflege oder Sozialarbeit, werben 44 Prozent der Stellenanzeigen mit Zeitsouveränität gegenüber 31,5 Prozent der Stellen für Männer. Konkret ermöglichen 24 Prozent der Anzeigen die Wahl des Arbeitsumfangs. In männerdominierten Tätigkeiten, etwa in der IT, gilt das nur für 7 Prozent. Zudem werden in Männerberufen häufiger Anforderungen wie Schichtdienst oder Rufbereitschaft formuliert (18,6 Prozent gegenüber 13,9 Prozent in Frauenberufen). Auch Mobilitätsanforderungen sind hier ausgeprägter. Diese Unterschiede verfestigen die Aufteilung in Frauen- und Männerberufe am Arbeitsmarkt und schränken die Wahlmöglichkeiten für alle Geschlechter ein.

Mehr Familienfreundlichkeit bei Expert:innen – weniger für Helfer:innen und Fachkräfte

Auch beim Qualifikationsniveau zeigen sich Unterschiede. Wer über einen Meister oder Hochschulabschluss verfügt, muss einerseits flexibler sein und mehr Mobilitätsanforderungen erfüllen. Gleichzeitig bieten Arbeitgeber häufiger familienfreundliche Bedingungen. 21,4 Prozent der Anzeigen auf Expert:innenebene enthalten entsprechende Angebote, bei Helfer:innen sind es nur 11,2 Prozent. Auch bei der Arbeitszeitgestaltung zeigen sich Unterschiede: rund 44 Prozent der Expert:innenstellen bieten Zeitsouveränität, während es bei Helfer:innen nur rund 29 Prozent und bei Fachkräften mit Ausbildung 34,5 Prozent sind. Damit werden Beschäftigte mit geringerer oder mittlerer Qualifikation klar benachteiligt.

Vereinbarkeit als Wettbewerbsfaktor

Die Analyse macht deutlich: Familienfreundlichkeit darf kein Privileg bestimmter Berufe oder Qualifikationen sein. Wer im Wettbewerb um Fachkräfte bestehen will, sollte Vereinbarkeitsangebote und selbstbestimmte Arbeitszeitmodelle sichtbar in seinen Stellenanzeigen platzieren. Transparenz bei Arbeitszeiten, planbare Schichten und zusätzliche Leistungen wie Betreuungszuschüsse sind wichtige Signale, um Talente zu gewinnen und langfristig zu halten. Zudem kann dadurch der geschlechterspezifischen Segregation am Arbeitsmarkt entgegengewirkt sowie die ungleiche Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit reduziert werden.

Hier der Link zur aktuellen Studie „So vereinbarkeitstauglich ist der deutsche Stellenmarkt?“

Erkunden Sie die Ergebnisse interaktiv in unserer Kurzanalyse.