„Das Ende eines deutschen Erfolgsmodells“ schreibt der Spiegel vor wenigen Tagen über das deutsche Ausbildungssystem. Das Handelsblatt formuliert vor drei Wochen „Die nächste Regierung steht vor der Jahrhundertherausforderung, die duale Ausbildung zu retten“. Was ist passiert mit dem Exportschlager duale Ausbildung, der Wiege der deutschen Facharbeit?
Seit vielen Jahren gibt es in Deutschland einen hohen und sogar leicht ansteigenden Anteil an jungen Menschen, die dauerhaft ohne Ausbildung bleiben. Derzeit haben über zwei Millionen der 20- bis 34-Jährigen keine Berufsausbildung – eine Situation, die sowohl im Hinblick auf den Fachkräftemangel als auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive alarmierend ist.
Corona hat die Situation verschärft. Sowohl das betriebliche Ausbildungsangebot als auch die Nachfrage der Jugendlichen sind dramatisch eingebrochen. Der Nachfragerückgang der Jugendlichen hat jedoch keine demographischen Ursachen – es ist nicht so, dass weniger Jugendliche da wären. Aber sie bewerben sich nicht mehr. Viele sind verunsichert.
Als ein möglicher Ansatz zur Lösung dieser Problematik wird die Einführung einer Ausbildungsgarantie diskutiert. In Deutschland fordert nicht nur der DGB, sondern auch SPD, Grüne und Linke in ihren Wahlprogrammen eine Ausbildungsgarantie bzw. einen Rechtsanspruch auf Ausbildung und auch die FDP sieht zumindest die Notwendigkeit der Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze nach regionalem Bedarf. Das Thema ist aktueller und relevanter denn je.
Aber natürlich gibt es nicht nur Befürworter: vor allem von Seiten der Wirtschaft wird eine Verdrängung betrieblicher Ausbildungsplätze befürchtet oder auch eine Ausbildung junger Menschen in ihren Wunschberufen weit ab von den Bedarfen des Arbeitsmarktes. Was ist denn nun die Ausbildungsgarantie: ein Königsweg zur Rettung des angeschlagenen Ausbildungssystems oder ein ordnungspolitischer Sündenfall?
In Österreich gibt es seit vielen Jahren eine Ausbildungsgarantie. Diese beinhaltet, dass jede:r ausbildungswillige Jugendliche bis 25 Jahre ein Angebot für eine Ausbildung erhält. Aber lässt sich das Österreicher Modell auf Deutschland übertragen? Was würde passieren, wenn in Deutschland ein Modell mit ähnlicher Wirkungsweise eingeführt würde?
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat die Bertelsmann Stiftung die Studie „Volkswirtschaftliche Effekte einer Ausbildungsgarantie – Simulation einer Übertragung der österreichischen Ausbildungsgarantie nach Deutschland“ bei dem Institut für Höhere Studien in Wien in Auftrag gegeben und kürzlich veröffentlicht. In Hörfunk, Fernsehen, Print- und sozialen Medien wurde breit darüber berichtet.
Bei der WEB-Konferenz, die unser Kollege Clemens Wieland moderierte, stellte Frau Dr. Susanne Forstner vom Institut für Höhere Studien zunächst zentrale Ergebnisse der Studie vor.
https://de.slideshare.net/BertelsmannStiftung/volkswirtschaftliche-auswirkungen-einer-ausbildungsgarantie-simulation-einer-bertragung-der-sterreichischen-ausbildungsgarantie-nach-deutschland
Die zahlreichen Rückfragen der rund 100 Teilnehmer:innen zeigten, welch hohe Aufmerksamkeit dem Thema zur Zeit entgegengebracht wird. Nach diesen „ökonomischen Einblicken“ ging es im zweiten Teil um „bildungspolitische Ausblicke“: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi, der Bildungsökonom Dr. Dieter Dohmen (Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie) und Dr. Alfred Freundlinger von der Wirtschaftskammer in Wien kommentierten die Ergebnisse aus politischer, sozialwissenschaftlicher und betrieblicher Perspektive. Auch hierauf folgten zahlreiche Publikumsfragen und viele Teilnehmer:innen hätten sicher gern noch mindestens weitere 90 Minuten diskutiert.
Weitere Infos immer aktuell unter www.ausbildungsgarantie.de
Kommentar schreiben