Von Frank Frick und Aline Hohbein:

Eine Ausbildungsgarantie stellt sicher, dass jeder Ausbildungsbewerber tatsächlich auch ein Ausbildungsangebot erhält – so wie in Österreich, wo es dies schon seit 2008 gibt. Das Ausbildungssystem muss dafür aber flexibler werden und mehr auf die individuellen Ausgangslagen der Jugendlichen Rücksicht nehmen. So sollten die Berufe in Ausbildungsbausteine gegliedert und verstärkt Streckungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten angeboten werden. Darüber hinaus bedarf es mehr individueller Begleitung sowohl der Jugendlichen als auch der Betriebe.

Was heißt das konkret?

Ausbildungsgarantie:
Für diejenigen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz im Betrieb finden, bedarf es staatlich geförderter Ausbildungsplätze, die betriebsnah ausgerichtet sind und ebenfalls mit dem Kammerabschluss abschließen. Nur durch eine solche Ausbildungsgarantie kann sichergestellt werden, dass tatsächlich jeder Jugendliche die Chance auf einen Ausbildungsplatz bekommt – unabhängig von der Konjukturlage. Zudem könnten diese Jugendlichen jederzeit in eine reguläre duale Ausbildung wechseln. Dies ist eine weitaus bessere Alternative als sogenannte „Übergangsmaßnahmen“, in denen viele Jugendliche teilweise Jahre zubringen ohne einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erwerben.

Ausbildungsbausteine:
Für einige Berufe wurden bereits Ausbildungsbausteine entwickelt. Sie sollten auf mehr Berufe als bisher ausgeweitet werden, um die Ausbildung bei Bedarf auch in Teilschritten zu ermöglichen. Das würde es insbesondere leistungsschwächeren Jugendlichen erleichtern, die Ausbildung schrittweise zum Erfolg zu bringen. Gleichzeitig könnte durch Ausbildungsbausteine die Durchlässigkeit zwischen verschiedenen Ausbildungsgängen und -formen vereinfacht werden. Wichtig ist dabei, dass die Ausbildungsbausteine zertifiziert und anerkannt werden.

Streckungs- und Unterbrechungsmöglichkeiten:
Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) sieht bereits jetzt die Möglichkeit vor, die Ausbildung bei Bedarf zu strecken oder zu unterbrechen. In der Praxis wird davon jedoch nur selten Gebrauch gemacht. Dabei sind zahlreiche Jugendliche durchaus in der Lage, eine Ausbildung zu machen, benötigen dafür jedoch länger als andere und sollten daher auch die Chance erhalten, die Ausbildung zu strecken. Ebenfalls sollten die Unterbrechungsmöglichkeiten bei Bedarf intensiver genutzt werden, beispielsweise damit Ausbildungsabbrüche aufgrund von persönlichen oder familiäre Krisen, Krankheiten, Suchtproblematiken, Schwangerschaft etc. reduziert werden können.

Individuelle Begleitung:
Ausbildungsbegleiter sollen sowohl die Jugendlichen als auch die Betriebe bei der Ausbildung und damit verbundenen Problemen unterstützen. Insbesondere bei der Ausbildung von Menschen mit Behinderungen sind Ausbildungsbegleiter von großer Bedeutung, denn sie sorgen für die individuelle Förderung der Jugendlichen und helfen den Betrieben bei pädagogischen und bürokratischen Fragestellungen.

Was kostet die Ausbildungsgarantie?
Für 1,5 Mrd. Euro Mehrkosten pro Jahr könnten alle Jugendlichen in Deutschland die Chance auf eine Berufsausbildung bekommen. Dieses Geld ist nach den Berechnungen des Bildungsökonomen Klaus Klemm gut investiert, weil der Staat dadurch an anderen Stellen Geld sparen könnte und der deutschen Wirtschaft bis zu 150.000 Fachkräfte pro Jahr zusätzlich zur Verfügung stünden:
http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/was-kostet-eine-ausbildungsgarantie-in-deutschland/?tx_rsmbstpublications_pi2%5Bpage%5D=3&cHash=3c716e061ea5ecc30e4369bab692b807

Damit jeder Jugendliche die Chance auf eine Berufsausbildung erhält, muss umgedacht werden. Die bisherigen Übergangsmaßnahmen führen für viele Jugendlichen nicht zum Ziel. Stattdessen muss das Ausbildungssystem selbst stärker an den Bedarfen der Jugendlichen ausgerichtet und so flexibilisiert werden, dass es den unterschiedlichen Ausgangslagen der Jugendlichen gerecht wird. Das würde dann auch den Abschied vom Begriff der Ausbildungsreife bedeuten, der längst überfällig ist. Wenn es gelingt, das Ausbildungssystem stärker für bisher abgehängte Jugendliche zu öffnen, kann dem drohenden Fachkräftemangel vorgebeugt und (Jugend-)Arbeitslosigkeit von morgen vermieden werden. Das reduziert nicht nur die Folgekosten von Ausbildungslosigkeit, sondern führt auch dazu, dass noch mehr junge Menschen von den Vorteilen des hochgelobten dualen Ausbildungssystems profitieren.