Der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft ist noch weit. Das zeigen nicht nur die Vorbehalte gegen ein Schulsystem, in dem Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam unterrichtet werden. Auch in der Berufsausbildung haben es Jugendliche mit Handicap schwer. Der gerade erschienene Ländermonitor berufliche Bildung 2017 sieht sie doppelt benachteiligt: Erstens ist das Spektrum an Berufen stark eingeschränkt, deren Ausbildung für Menschen mit Behinderung gesondert geregelt sind. Und zweitens gibt es innerhalb dieser eingeschränkten Auswahl nicht genügend Ausbildungsplätze.

Neun Berufe gibt es, in denen der Gesetzgeber die Ausbildung speziell für Jugendliche mit Behinderungen angepasst hat. Dort können diejenigen eine Ausbildung zum sogenannten Fachpraktiker absolvieren, die aufgrund der Art oder der Schwere ihrer Behinderung keine Aussicht auf einen regulären Ausbildungsplatz haben. Die Ausbildungen in diesem begrenzten Spektrum zeichnen sich beispielsweise durch einen reduzierten Theorieteil aus. Sie sind nach § 66 BBiG (§ 42m HwO) geregelt und werden deshalb auch oft „66er Berufe zum Fachpraktiker“ genannt.

Mehr als jeder zehnte Bewerber mit Handicap ging 2015 bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz in diesen 66er Berufen leer aus. Damit haben sich seit 2009 die Chancen für Jugendliche mit Behinderungen auf einen Ausbildungsplatz nicht verbessert, obwohl die Zahl der Bewerber in diesem Zeitraum um 34 Prozent zurückging.

Jeder dritte Ausbildungsplatz für Jugendliche mit Handicap fällt weg

Während sich 2009 noch gut 15.500 Schulabgänger mit Behinderungen um eine Fachpraktiker-Lehrstelle bemüht hatten, waren es 2015 nur noch knapp über 10.000. Doch weil die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in den 66er Berufen im selben Zeitraum von gut 14.000 auf unter 9.000 fiel (minus 35 Prozent), hat sich die Lage für die Jugendlichen mit Behinderungen kaum verändert.

In einigen Bundesländern stehen die Chancen von Bewerbern mit Handicap auf eine Fachpraktiker-Lehrstelle besonders schlecht: In Hessen kommen rechnerisch auf 100 Bewerber nur 66 Ausbildungsplätze. Auch in Bremen ist die Ausgangslage für Jugendliche mit Behinderungen ähnlich dramatisch. Dort kommen auf 100 Bewerber 69 angebotene Lehrstellen in den 66er Berufen.

Diese Zahlen lassen jedoch nur einen vorsichtigen Rückschluss auf die Gesamtsituation aller Jugendlichen mit Handicap auf dem Ausbildungsmarkt zu. Denn das Merkmal „Behinderung“ wird in der Berufsbildungs- und Schulstatistik nicht erfasst, und prinzipiell stehen alle regulären Ausbildungsgänge auch Menschen mit Behinderung offen. Somit lässt sich keine Aussage dazu treffen, wie viele Jugendliche mit Behinderungen einen staatlich anerkannten vollqualifizierenden Ausbildungsberuf (dual oder vollzeitschulisch) erlernen.

Eine inklusive Gesellschaft bietet allen Teilhabe am Arbeitsleben

Allerdings belegt der Ländermonitor die schwierige Situation derjenigen jungen Menschen, deren Behinderung eine Berufsausbildung zwar nicht gänzlich ausschließt, für die aber trotzdem eine reguläre Lehrstelle nicht in Frage kommt. Obwohl die Nachfrage demographiebedingt deutlich zurückgegangen ist, reicht das Angebot für diese Gruppe nicht aus.

Inklusion bedeutet Zugehörigkeit. In einer inklusiven Gesellschaft wird niemand ausgegrenzt. Dies ist aber nur möglich, wenn die Partizipation im Alltag, also in der Schule, bei der Arbeit, in der Freizeit möglich ist. Für die Teilhabe am Arbeitsleben ist eine Berufsausbildung von hoher Bedeutung. Daher ist es notwendig, die Unterversorgung von Jugendlichen mit Handicap auf dem Ausbildungsmarkt zu beseitigen. Damit der Übergang von der Schule in die Ausbildung genauso selbstverständlich abläuft, wie es die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen heute schon auf ihrer Website beschreibt: „Ist der Berufswunsch klar, kann die Ausbildung beginnen.“