„Weiterbildung“ bezeichnet gemäß Wikipedia „jeden Bildungsvorgang, der eine vorhandene berufliche Vorbildung vertieft oder erweitert. Sie findet in der Form von organisiertem Lernen statt“. Diese Definition ist sehr geprägt durch den implizit zum Ausdruck gebrachten Anspruch der Formalisierung, Hierarchisierung und Einordnung nicht nur in ein inhaltliches sondern auch ein methodisches Konzept.
Der Begriff und die Erklärung klingen nicht so, als dass es irgendwie interessant wäre, sich in die Mühlen der formalisierten Weiterbildung zu begeben, um sich dann ein Leben lang darin zu bewegen, da ja die Maxime des lebenslangen Lernens dies erfordert. „Lernen“ und „Weiterbildung“ wird in den vielen Schriften der Ministerien und der weiterbildenden Institutionen in den allerseltensten Fällen als Tätigkeit dargestellt, die den eigenen Horizont erweitert, die vorzeitiges Altern im eigenen Kopf verhindert, die letztlich auch dazu führen könnte, dass der eigene Möglichkeitsraum erweitert werden könnte. Stattdessen herrscht die Attitüde vor, dass „man dies einfach machen müsse“.
Ich erlaube mir bei dieser Betrachtung explizit die externe Sicht des gelernten Volkswirtes, der nicht in der Sphäre der Weiterbildner sozialisiert worden ist. Man möge mir daher schon mal vorab manch kritische Anmerkungen verzeihen; Fragen müssen aber eben auch gestellt werden dürfe. Meine vielleicht (?) provokante Frage lautet: Muss (Weiter-) Bildung nicht den Institutionen, den Autoritäten des Bildungssystems und den vielen Coaches „entrissen“ werden und in die Hände der Nutzer übergeben werden? Ist „Lernen“ nicht vielmehr eine eigenverantwortliche Tätigkeit, die nichts mit dem formalisierten und pädagogischen Rahmen zu tun hat (zu tun haben muss), in dem sie die letzten Jahrzehnte (fest) gehalten wurde? Ich bin mir im Klaren darüber, dass es nicht ein klares entweder-oder geben kann. Die Fähigkeit zur Eigenverantwortung ist sicherlich in der Bevölkerung in verschiedenen Fragen nicht immer gleich verteilt. Jeder Mensch hat seine Kompetenz in bestimmten Bereichen. Dies kann aber im Umkehrschluss nun nicht dazu führen, dass gemeint wird, generell alle Personen an die Hand der Bildungsinstitutionen nehmen zu müssen.
Gerade war ich damit beschäftigt, das Rechercheergebnis unserer Bibliothek zum Thema „Lernen mit OER und digitale Medien“ (in Literatur und Medien) durchzuschauen. Unsere Kollegen haben für ihre Recherchen ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung und besitzen jahrelange Erfahrung, so dass ich mich wie immer auf das Ergebnis verlassen konnte. Und das Ergebnis spricht eine interessante Sprache, die eben diese scheinbar in den Köpfen sehr stark verankerte Vorstellung von den institutionellen Bildungs- und Zertifizierungsautoritäten zu bestätigen scheint. Bei der Lektüre sind mir folgende Punkte besonders aufgefallen:
Erstens
Die institutionelle Denkweise ist sehr traditionell. Es ist unmöglich, die Frage, wie Qualität gesichert und Zertifikate in Zeiten der Digitalisierung validiert werden können, in der gesamten Debatte zu übersehen. Dahinter steckt natürlich die Vorstellung, dass es eine übergeordnete Autorität gibt (geben muss, oder?!), die letztlich darüber bestimmt, ob bestimmte Inhalte und Aussagen „richtig“ sind. Diese Vorstellung negiert leider im nicht unerheblichen Maße die durch die Digitalisierung voran getriebene Tendenz der Validierung von Inhalten und Aussagen durch die „Crowd“. Ähnlich dem Bedeutungsverlust der Stiftung Warentest in Folge der durch Konsumenten gefüllten Bewertungsportal wie Amazon u.a. wird es aber auch im Bereich der Bildung zu einer verstärkten Tendenz der crowdbasierten Bewertung kommen (müssen).
Zweitens
Alle Jahre wieder wird eine “neue Themensau durch das Dorf getrieben”. Mal ist es die Abkehr von PowerPoint, mal der Trend zum sogenannten Mikro-Learning, der die Branche in Aufruhr versetzt und sowohl zu Unsicherheiten als auch neuen Marktnischen für Anbieter führt (gern hätte ich an dieser Stelle auf die entsprechende Medienberichte verlinkt; leider stösst man dann aber bei welt.de und faz.de sowieso nur auf Bezahlwände). Mir scheint, es wäre etwas mehr Gelassenheit vonnöten, da sich die pädagogischen Konzepte und Kompetenzen sowie die Lernmethoden der Lernenden nicht im gleichen Maße verändern können wir die Themenpräferenz der Redakteure relevanter (Print) Medien.
Drittens
Der Bildungsmarkt scheint ein lohnendes Auskommen zu garantieren, wenn man sich die zahllosen Meinungsbeiträge von Menschen anschaut, die am Ende eines (manchmal sehr dürftigen) Meinungsbeitrags auf der Internet-Seite irgendeiner „Zeitschrift für xy“ stets darauf hinweisen, dass sie ja auch gern als Anbieter von Coaching, Schulung, Weiterbildung, Scouting oder ganz allgemein Beratung aktiv werden könnten. Es spricht nichts dagegen, für sich und seine Tätigkeit Werbung zu machen. Seltsam jedoch ist, wenn gleichzeitig von diesen Personen nicht davon abgelassen werden kann, die Qualität der Inhalte zu hinterfragen und diese Hinterfragung von jeden Personen erfolgt, die diese Meinungsbeiträge verfassen. Möchte man sich hier das eigene Nachfrage sichern?
Viertens
Die Forschung scheint der methodischen Weiterentwicklung im Bereich der digital basierten Bildung nicht mehr folgen zu können. Häufig beschäftigen sich Studien mit Fragestellungen und Methoden, die eigentlich schon lange wieder überholt sind, weil die technische Grundlage sich weiterentwickelt hat. Dies kann nicht der Wissenschaft angelastet werden. Ähnliche Herausforderungen erlebt beispielsweise auch die Politische Wissenschaft, die ebenfalls nicht mehr fähig ist, der Entwicklung der politischen Digitalisierung adäquat zu folgen.
Gibt es einen Ausweg?
Ein Konzept, welches einiger dieser genannten Herausforderungen adressiert, da es konsequent die Offenheit der Inhalte und Methoden verfolgt, ist das Konzept der „Open Educational Resources“. In den letzten Wochen gab es zwei interessante und zusammenfassende Beiträge zu diesem Thema. Es handelt sich das eine Mal um den Text von Ingo Blees und Axel Kühnlenz mit der Überschrift „Freien Wissenserwerb ermöglichen“ und das andere Mal um das „OER-Whitepaper“ von Jöran Muuß-Merholz und Felix Schaumburg. Hierbei geht es mitnichten darum, sich nicht einem Qualitätswettbewerb zu unterziehen. Bless und Kühnlenz beschäftigen sich in ihrem Beitrag ausführlich mit der Wechslwirkung von MOOCs und OER sowie den jeweiligen Derivaten dieser Ansätze und zeigen Wege auf, wie den inhärenten Herausforderungen der Offenheit von Bildung offensiv begegnet werden kann. Sie weisen am Ende darauf hin, dass das Thema der offenen Lernmaterialien gerade dabei sei, sich auch in der Weiterbildungslandschaft und damit über Schule und Hochschule hinaus weiter zu verbreiten. Schaumburg und Muuß-Merholz äußern sich ebenfalls umfangreich zu den Voraussetzungen der zukünftigen Verbreitung von OER und merken bezüglich der Qualitätssicherung an: „Insofern kommt es für die Verbreitung auch darauf an, wie gut es gelingt, durch Qualitätssicherung, Meta-Daten und Zugänglichmachung den praktischen Umgang mit OER zu erleichtern.“ Alle Autoren betonen dabei jedoch immer wieder, dass es nicht darum ginge, eine übergeordnete Instanz mit der Qualitätssicherung zu beauftragen sondern dass es Sache der Community sei, über diese zu wachen. Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.
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