Ein beruflicher Neuanfang, eine abgeschlossene Ausbildung, die Aussicht auf eine Führungsposition oder die Suche nach einem Ehrenamt – Entscheidungen rund um den beruflichen oder persönlichen Lebensweg sind leichter zu treffen, wenn man sich der eigenen Kompetenzen bewusst ist. Der ProfilPASS unterstützt erwachsene Menschen dabei, ihre Kompetenzen zu ermitteln und zu dokumentieren. Wesentlicher Bestandteil des ProfilPASS ist die Beratung. Eigens qualifizierte ProfilPASS-Berater/innen begleiten den Selbstreflexionsprozess, der sich an der Biografie und den Ressourcen der Teilnehmenden orientiert. Darüber hinaus unterstützen die Beratenden bei der Ableitung von Zukunftszielen sowie den ersten Schritten zur Umsetzung.
Auch Jugendliche sind herausgefordert, sich frühzeitig mit ihren Fähigkeiten, Interessen und beruflichen Wünschen auseinanderzusetzen. Für sie gibt es den ProfilPASS für junge Menschen (ab 13 Jahre).
Zielgruppe, Inhalte und Methodik des ProfilPASS
Der ProfilPASS ist zielgruppenoffen angelegt und richtet sich an Menschen in privaten oder beruflichen Übergangssituationen. Die Erfahrungen zeigen, dass der ProfilPASS überwiegend in Kontexten der beruflichen Neu- bzw. Erstorientierung zum Einsatz kommt. Im Mittelpunkt des ProfilPASS steht die individuelle Lernbiografie der Teilnehmenden. Ausgehend von der Annahme, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens eine Fülle von Fähigkeiten und Kompetenzen erworben hat, wird beim ProfilPASS das gesamte bisherige Leben in den Blick genommen. Besonders berücksichtigt werden Kompetenzen, die non-formal und informell, d.h. außerhalb von Schule, Ausbildung oder Studium erworben wurden. Die Bearbeitung des ProfilPASS findet sowohl in Einzel- als auch in Gruppenberatungen statt und dauert – je nach Setting – zwischen vier und zehn Stunden.
Der ProfilPASS ist ein Portfolio, das als gedrucktes Arbeitsbuch und als Datei zum Download zur Verfügung steht und sich in die folgenden vier Kapitel gliedert:
Beim ProfilPASS werden aus Tätigkeiten Kompetenzen abgeleitet und diese in einem persönlichen Kompetenzprofil bilanziert. In Vorbereitung auf die Beschäftigung mit den eigenen Zielen reflektieren die Teilnehmenden ihre Eigenschaften und Interessen. Sie werden angeregt, ihre Selbsteinschätzung durch eine oder mehrere Fremdeinschätzung(en) zu erweitern. Auf den Internetseiten des ProfilPASS finden Erwachsene und junge Menschen Zusatzseiten und ergänzende Materialien.
Auswertung und Ergebnis
Nach Abschluss der ProfilPASS-Beratung kennen die Teilnehmenden ihre individuellen Kompetenzen, Interessen und Ziele. Das schrittweise Ableiten der Kompetenzen aus biografisch relevanten Tätigkeiten versetzt die Teilnehmenden zudem in die Lage, anderen Personen ihre Kompetenzen verständlich und glaubwürdig zu erläutern.
Einen schriftlichen Überblick über die ermittelten Kompetenzen gibt der ProfilPASS-Kompetenznachweis. Dieser wird von der ProfilPASS-Beraterin/von dem ProfilPASS-Berater ausgestellt. Er dokumentiert die Kompetenzen und bestätigt, dass die Teilnehmenden diese mit Unterstützung professioneller Beratung ermittelt haben.
Hintergrund der Entwicklung
Der ProfilPASS wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE), dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und dem Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (ies) entwickelt.
Die beim DIE angesiedelte Servicestelle ProfilPASS ist für die Koordination des ProfilPASS-Netzwerks, die Verbreitung des Instruments sowie seine Weiterentwicklung zuständig.
Im Jahr 2016 wurde der ProfilPASS umfassend überarbeitet: Neben der Printversion kann der ProfilPASS in zwei Varianten kostenlos im Internet heruntergeladen werden: als Paper-and-pencil Version und als PDF-Formular zum Ausfüllen am Computer.
Der ProfilPASS liegt in den Sprachfassungen englisch, französisch, griechisch, slowenisch und spanisch vor, die ebenfalls heruntergeladen werden können.
Evaluation und Bewertung
Aus den Evaluationen zum ProfilPASS geht hervor, dass die Teilnehmenden mit Hilfe der ProfilPASS-Beratung sich ihrer Kompetenzen bewusst und darüber in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt werden. In einer vom DIE durchgeführten Online-Befragung (12/ 2014 bis 03/2015) wurden die ProfilPASS-Beratenden gefragt, welche Wirkungen sie dem ProfilPASS zusprechen: Von den 270 antwortenden Berater/inne/n gaben 85,4 Prozent an, dass die Menschen nach der ProfilPASS-Beratung besser wüssten, was sie können. 82,4 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die Beratenen positiver über ihre eigenen Fähigkeiten denken und 77,9 Prozent bestätigten die Aussage, dass Menschen durch die ProfilPASS-Beratung ein gestärktes Selbstwertgefühl haben. [1]
Von Dezember 2015 bis Mai 2016 hat die Stiftung Warentest 11 frei zugängliche Kompetenzbilanz-Verfahren getestet. Besonders hervorgehoben und empfohlen werden Verfahren, die eine begleitende Beratung, ein Coaching oder ein Seminar anbieten. Im Rahmen dieser Testung wird dem ProfilPASS hohe Qualität zugesprochen: Den Gutachter/inne/n und Testpersonen gefielen die klare Struktur und das systematische Vorgehen. Nach Einschätzung der Stiftung Warentest eignet sich der ProfilPASS für eine umfassende Analyse und die Erarbeitung beruflicher Perspektiven.
Voraussetzung für die Anwendung
Grundsätzlich können Teilnehmende den ProfilPASS ohne Begleitung nutzen. Allen Interessierten empfehlen wir jedoch die Unterstützung durch qualifizierte ProfilPASS-Berater/innen. Die vom DIE zertifizierten ProfilPASS-Berater/innen wurden von ProfilPASS-Multiplikatoren in zwei- bzw. dreitägigen Qualifizierungen ausgebildet und wenden den ProfilPASS entsprechend seiner Qualitätsstandards an. Ausschließlich zertifizierte ProfilPASS-Berater/innen sind autorisiert, ihren Teilnehmenden ProfilPASS-Kompetenznachweise auszustellen.
Anschlussfähigkeit an Arbeitsmarktintegration
Aus allen bisherigen Erhebungen zum ProfilPASS geht hervor, dass der ProfilPASS überwiegend in beruflichen Orientierungsphasen eingesetzt wird. Deutliche Hinweise auf die Anschlussfähigkeit des ProfilPASS an die Integration in den Arbeitsmarkt lassen sich aus der vom DIE durchgeführten Online-Befragung (s.o.) ableiten. Als häufigstes Beratungsanliegen ihrer Teilnehmenden gaben die antwortenden Berater/innen „Berufliche Neuorientierung“, „Arbeitssuche“ und „Berufliche Erstorientierung“ an. [1]
Verbreitung, Resonanz und nächste Schritte
Seit 2006 wurden in Deutschland und Österreich mehr als 200.000 Menschen mit dem ProfilPASS beraten. Deutschlandweit setzen aktuell rund 1.500 zertifizierte ProfilPASS-Berater/innen den ProfilPASS in ihrer Beratung ein. Zur bundesweiten Infrastruktur gehören weiterhin 36 zertifizierte Multiplikatoren und 37 zertifizierte Dialogzentren. Letztere sind Weiterbildungs- bzw. Beratungseinrichtungen, die den ProfilPASS in ihrer Region unterstützen. Die Multiplikatoren bieten für Beratende ProfilPASS-Qualifizierungen und Re-Zertifizierungsseminare an.
Der ProfilPASS ist inzwischen auch international verbreitet. Er wird insbesondere in Bosnien-Herzegowina, Chile, Luxemburg, Slowenien und Spanien eingesetzt.
Gemäß den Ergebnissen der Online-Befragung kommt der ProfilPASS am häufigsten in öffentlichen Kursangeboten von Einrichtungen der Erwachsenenbildung, der Beruflichen Bildung sowie Maßnahmen der Arbeitsagentur zum Einsatz. Darüber hinaus wird der ProfilPASS auch in Career Center von Hochschulen, von privaten Beratungsinstituten oder im Rahmen innerbetrieblicher Weiterbildung von Unternehmen angeboten.
Der ProfilPASS wird kontinuierlich weiterentwickelt. Aktuell werden zielgruppenspezifische Beispiele und Zusatzmaterialien erstellt, die den flexiblen Einsatz für unterschiedliche Adressaten weiter unterstützen.
Mögliche Rolle in einem nationalen System der Kompetenzanerkennung
Der ProfilPASS ist unterhalb der ordnungspolitischen Ebene angesiedelt. In seinem Fokus steht die individuelle Anerkennung von Fähigkeiten und Kompetenzen, die nicht mit einer Berechtigung im Bildungssystem einhergeht. Beispiele aus anderen europäischen Ländern weisen beim Aufbau eines formalen Systems zur Kompetenzanerkennung auf ein Verfahren in zwei Schritten hin: Ein zunächst ergebnisoffener Ansatz der Selbstreflexion bietet die Grundlage für den späteren Abgleich der eigenen Kompetenzen mit dem angestrebten, spezifischen beruflichen oder hochschulischen Kompetenzprofil. Der ausschließliche Blick auf die qualifikatorischen Anforderungen ohne vorherige Reflexion des eigenen Kompetenzspektrums würde der Spezifik des informellen Lernens nicht gerecht. Seitens des ProfilPASS hoffen wir deshalb, dass das in Deutschland zu entwickelnde System der Kompetenzanerkennung qualitative Kompetenzbilanzierungsverfahren, die von qualifizierten Berater/inne/n begleitet werden, integrieren wird.[2]
Quellen
[1] Bosche, B., Hülsmann, K., Neß, H. & Seidel, S. (2017). ProfilPASS – Kompetenzen ermitteln und bilanzieren. In: Erpenbeck, J., von Rosenstiel, L., Grote, S. & Sauter, W. (Hrsg.) , Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis (S. 29-47). Stuttgart: Schäffer-Pöschel.
[2] Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE) & Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (IES). (2004). Machbarkeitsstudie im Rahmen des BLK-Verbundprojektes „Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens.“ Zugriff am 10.03.2017. Abgerufen von: http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2004/die04_02.pdf
Weiterführende Literatur
[3] Bosche, B. & Seusing, B. (2014). Der ProfilPASS in Unternehmen. Ein Leitfaden für die Praxis. Zugriff am 10.03.2017. Abgerufen von: http://www.die-bonn.de/doks/2014-kompetenz-01.pdf
[4] Harp, S., Pielorz, M., Seidel, S. & Seusing, B. (Hrsg.) (2010). Praxisbuch ProfilPASS – Ressourcenorientierte Beratung für Bildung und Beschäftigung. Bielefeld: W. Bertelsmann.
[5] Seidel, S., Hülsmann, K., Reinshagen, G. & Walgert, E. (2014). ProfilPASS für junge Menschen. Einsatz in der Schule. Zugriff am 10.03.2017. Abgerufen von: http://www.die-bonn.de/doks/2014-berufsberatung-01.pdf
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