Flüchtlinge müssen sich aktuell bei der Integration in Deutschland vielen Herausforderungen stellen. Mithun Sridharan schildert in seinem Blogbeitrag die drei größten Hürden für Flüchtlinge in Deutschland. Die größte und die aktuell dringlichste Hürde ist ohne Zweifel der Spracherwerb. Sicherlich würde jeder zustimmen, dass gute Deutschkenntnisse die Basis für eine erfolgreiche Integration sind. Das zeigt auch eine Studie des IAB zur Arbeitsmarktintegration. Sofern gute oder sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sind, steigt sowohl die Wahrscheinlichkeit erwerbstätig zu sein, als auch der Verdienst. Personen mit sehr guten Deutschkenntnissen verdienen im Schnitt 22% mehr als Personen mit keinen oder schlechten Deutschkenntnissen. Gleichzeitig sinkt mit der Zunahme der Deutschkenntnisse die Wahrscheinlichkeit qualifikationsinadäquat beschäftigt zu sein.
Es sprechen viele Gründe dafür, eine frühzeitige und gezielte Sprachförderung anzubieten. Die Teilnahme an festen Deutschkursen war jedoch in letzter Zeit schwierig. Es fehlten nicht nur zahlreiche Angebote, sondern auch Kursräume und Dozenten, sodass häufig ehrenamtliche Helfer die Lücke füllten. Die zahlreichen Herausforderungen, die mit dieser Aufgabe einhergehen, zeigt Monika Fischer sehr schön in ihrem Beitrag. Mit dem Programm KompAS (Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb) und dem Gesamtprogramm Sprache (GPS) entwickelt der Bund die Sprachförderung in Deutschland gerade weiter und verspricht Lösungen.

Weiterentwicklung des Sprachförderangebots

Hintergrund der Weiterentwicklung sind nicht nur die aktuellen Zuwandererströme, sondern insbesondere die Aspekte Kapazitätsausbau, bessere Steuerbarkeit sowie Maßnahmen, die einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Das bisherige Modell mit der Reihenfolge Integrationskurs, berufsbezogener Sprachkurs sowie anschließendem Einstieg in den Arbeitsmarkt ist der Studie von Jutta Aumüller zufolge eine zeitintensive Option, die nicht verbindlich festgeschrieben werden sollte, um die Motivation der arbeitswilligen Flüchtlinge zu nutzen. Gleichzeitig wird das Kompetenzniveau B1, welches nach Ende des Integrationskurses angestrebt wird, als unzureichend für die Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung gesehen. Mitarbeiter aus einzelnen Integration Points in Nordrhein-Westfalen schilderten mir im Rahmen einer Veranstaltung ihre Erfahrungen bei der Vermittlung von Flüchtlingen mit dem Sprachniveau B1 in AGH’s (Arbeitsgelegenheiten) oder MAG’s (Maßnahmen bei einem Arbeitgeber). Hier kam von Seiten der Arbeitgeber häufig die Rückmeldung, dass das Sprachniveau nicht ausreicht und eine sehr intensive Betreuung notwendig ist. Für eine nachhaltige Vermittlung wird deshalb als erforderliches Sprachniveau B2 genannt. Um dieses Niveau zu erreichen ist bislang der Besuch eines berufsbezogenen ESF-BAMF-Sprachkurses notwendig, deren Anzahl insbesondere von der Höhe der EU-Mittelzuweisung abhängig ist. In der Praxis bedeutet dies: zu wenige Kurse, die hohe Nachfrage kann derzeit nicht bedient werden. Eine Anschlussfähigkeit nach einem Integrationskurs ist nicht sichergestellt, ein schneller zielorientierter Spracherwerb wird erschwert.

Sprachförderung aus einem Guss im Gesamtprogramm Sprache

In Zukunft sollen alle Sprachangebote des Bundes (insb. Integrationskurse, ESF-BAMF-Sprachkurse) in einem Gesamtprogramm Sprache gebündelt werden. Ziel ist es eine Sprachförderung „aus einem Guss“ anzubieten. In diesem verzahnten Regelförderungsangebot sollen allgemeine und berufsbezogene Sprachkenntnisse bis zum Niveau C1 angeboten werde, in Spezialmodulen (z.B. für Ärzte) gar bis zum Niveau C2.

Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse, wie sieht das konkrete Angebot jeweils aus?

Weiterentwicklung der Integrationskurse – Programm KompAS

Zunächst ist da die Weiterentwicklung der Integrationskurse. Hier ist in erster Linie das von der Bundesagentur für Arbeit in Abstimmung mit dem BAMF aufgelegte Programm KompAS (Kompetenzfeststellung, früh-zeitige Aktivierung und Spracherwerb) zu nennen. Neu ist hier die Verzahnung des Spracherwerbs mit berufsqualifikatorischen Maßnahmen (nach §45 SGBIII), die an den Arbeitsmarkt heranführen sollen. Dies bedeutet, dass beispielsweise vormittags der allgemeine Integrationskurs und nachmittags eine Maßnahme der Arbeitsförderung besucht werden. Ab dem 01.08.2016 beginnen diese regional aufzusetzenden Maßnahmen für Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sowie anerkannte Flüchtlinge.

Kompas-Massnahmenverlauf

KompAS Maßnahmeverlauf; Quelle: BAMF – Regionalstelle Bielefeld

 

Neues berufsbezogenes Sprachangebot

Hinzu kommt ab dem 01.07.2016 neben den bestehenden ESF-BAMF-Sprachkursen ein weiteres berufsbezogenes Sprachangebot aus nationalen Mitteln. Dies bedeutet, dass es bis zum Auslaufen des ESF-BAMF-Programms im Jahr 2017 zwei parallele Angebote der berufsbezogenen Sprachförderung geben wird. Ziel ist, dass die Elemente des ESF-BAMF-Programms im Anschluss im neuen Angebot aufgehen.

Im neuen berufsbezogenen Sprachangebot werden bereits ab diesem Jahr die Module „B1-B2“ und „B2-C1“ angeboten. Ab 2017 sind auch weitere Module, wie beispielsweise „nachholendes B1-Niveau“, möglich. Gleichzeitig fällt die Finanzierung der Kurse über den ESF (Europäischer Sozialfonds) weg, sodass fortan die Finanzierung ähnlich wie bei den Integrationskursen organisiert ist. Ähnlich zu KompAS sind auch hier Kombinationen mit Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sowie betriebliche Lernphasen (beides regional ausgehandelt) möglich. Darüber hinaus können die Kurse auch online angeboten werden.

 

 Uebersicht_Gesamtprogramm_spracheÜbersicht Gesamtprogramm Sprache; Quelle: BAMF- Regionalstelle Bielefeld

Fazit

In der Gesamtbetrachtung des GPS lassen sich vier erfreuliche Entwicklungen festhalten. Erstens wurde durch eine umfängliche Verzahnung und Strukturierung des Angebots, von der Alphabetisierung bis zum C2-Niveau, ein Beitrag zur Transparenz geleistet. Aus dem undurchsichtigen Förderflickenteppich mit unterschiedlichen Zugangswegen ist ein einheitliches System entstanden. Zweitens ist die Kombination mit berufsqualifikatorischen Maßnahmen bereits während des Spracherwerbs zu begrüßen. So bekommen die Flüchtlinge einen frühen Einblick in die Arbeitswelt, können sich praktisch erproben und bereits gelernte Sprache anwenden oder Fragen aus dem Alltag in den Sprachunterricht mitnehmen. Drittens besteht endlich eine einheitliche nationale Finanzierung der berufsbezogenen Angebote, sodass Probleme, wie die 50%-Kofinanzierung der ESF-Mittel, ad acta gelegt werden können. Durch die Einführung der Regelförderung könnte gleichzeitig der Übergang vom Integrationskurs zu einem berufsbezogenen Sprachkurs ohne immense zeitliche Verluste realisiert werden. Und viertens können nun auch Online-Kurse angeboten werden, was vor allem im ländlichen Raum immense Vorteile bringt.

Gleichzeitig muss sich das GPS erst in der Praxis beweisen, sodass viele Fragen noch nicht beantwortet werden können. Wie läuft die berufsqualifikatorische Komponente in Kombination mit dem Integrationskurs regional zusammen? Wie lange dauert es, bis ein Träger die notwendige Zahl von 15 Teilnehmern zusammen hat, um einen Kurs starten zu können? Verbessert sich die Anschlussfähigkeit zwischen Integrationskurs und berufsbezogenem Sprachkurs durch die Regelförderung wirklich?Können angesichts des Dozentenmangels ausreichend Angebote bereitgestellt werden? Werden Online-Kurse angeboten und wie werden diese von den Flüchtlingen aufgenommen?

Ich werde die Entwicklungen beobachten und berichte gerne wieder, sobald eine Bewertung möglich ist.